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10
Oktober
Lyssa, Blogger und die taz
Langer Riemen über Lyssa, die WAZ und die Blogger-Szene heute dort in der taz. Halte ich jetzt einfach hier mal fest.

 
 
Liebe PR-Leute ...
... und Marketing-Fuzzies hier im Web 2.0: Gestern habe ich mir noch einmal das gute alte Cluetrain-Manifest aus dem Jahr 1999 zur Brust genommen, auch und wegen bestimmter Diskussionen über PR-Konzerne in diesen Tagen. Denn das Cluetrain Manifesto hat sich als erstaunlich zutreffend und überlebensfähig erwiesen, obwohl das restliche Netz 1.0, wo ihr damals mit weißumrandeten Nasenlöchern die tollsten Geschäftsideen nicht nur verkündet habt, sondern sie sogar an den Risikokapitalgeber brachtet, obwohl also dieses Web 1.0 unter lautem Furzen in sich zusammensank, damals, als im Jahr 2001 all eure bunten Ideen endgültig Seifenblasengestalt angenommen hatten.

Gewissermaßen ließ sich aus dem Manifest das Web 2.0 samt Wikipedia und allem Drumherum ableiten, denn damals blieben die Entwickler und Netzbewohner mit ihren Ideen zurück, während ihr Marketeere mit euren Ideen schlicht implodiert seid.

Heute bettelt ihr am Portal zu diesem neuerstandenem Web 2.0 mit euren zerbeulten und verstimmten Instrumenten wieder um Einlass, ihr errichtet wieder eure bunten Kasperbuden, wo ihr mit NetObserver-Studies prahlt, und ihr werft mit den Buzz-Wörtern um euch wie der Prinz mit Kamelle. Überall aber stößt man euch nur zurück, nirgends klatscht das Publikum: "Die PR-Fuzzis (selbst dann, wenn sie sich zu den Bloggern zählen … wollen/dürfen) sollen uns einfach vom Leib bleiben."


Küsschen, Küsschen!
Bild: photocase/kcb

Weshalb aber ist das so?

«Die homogene Stimme der Geschäftswelt», hieß es einst im Manifest, «der Klang von Firmenphilosophien und Broschüren klingen in nur wenigen Jahren so überholt und künstlich wie die Sprache an den Gerichtshöfen im Frankreich des 18. Jahrhunderts». Ich glaube, diese Voraussage ist voll und ganz eingetroffen. PR 1.0, Marketing 1.0 und Werbung 1.0 werden zunehmend zu stumpfen Waffen. Und das ist ja auch eure Angst, die euch wieder ins Netz treibt.

Über Benachteiligung könnt ihr euch jedenfalls nicht beschweren: Wie jedermann steht auch euch das Web 2.0 anstandslos offen. Jeder darf hier bloggen, jeder darf gedisst werden. Euer Problem sind ja auch eher die fehlenden Besucher. Da - also bspw. da - bloggen «Prominente», für die ihr euch selbst unverdrossen haltet, und keine Sau kommt gucken. Gemein ist das! Ihr generiert einfach nicht jene kritische Masse, ab der es sich für euch auch geschäftlich lohnen würde. Nebenbei: Mit den Mitteln der PR 1.0 wird euch das auch nicht gelingen.

Es gäbe für euch im Grunde zwei Strategien, um das zu ändern: Entweder der traditionelle Weg, indem ihr wie Peter Turi lange Lexika 2.0 voller Key Words wie Instant Messenger u.ä. verfasst und euch auf dem Weg der Suchanfragen langsam nach oben googelt. Das Problem ist dabei allerdings die Verweildauer, denn der Mensch ist eben kein bloßes Reiz-Reflex-Wesen. Wie heißt es im Manifest so schön: «Schon heute hört keiner mehr die Stimme der Firmen, die so reden, als hätten sie es mit Idioten zu tun». Obwohl ihr euch in der Welt unvermeidlich und allgegenwärtig gemacht habt, bliebe dann also die Wirkung aus. Ihr werdet einfach ausgeblendet - wie der blinde Fleck im menschlichen Sehfeld.

Ihr könntet aber auch den Weg des Bloggens gehen - indem ihr eben nicht huckepack wie die Tramps der Chaplin-Zeit auf der Google-Lokomotive zu reisen versucht. Sondern, indem ihr endlich mal an eurer Sprache arbeitet.

Wenn ich mir die Deutschen Blogcharts so anschaue, dann führen ja eben nicht die Klickraten-Jäger die Hitparade an - Turi gondelt irgendwo bei Platz 80 rum - sondern Leute, die schlicht schreiben können. Don Alphonso ist ja weniger ein «Motzblogger», sondern zunächst einmal jemand, der gut schreiben kann, er glänzt auch weniger durch Themen, es sei denn, jemand würde Diskussionen über barocke Bilderrahmen für inhaltliche «Bringernummern» mit Massenwirkung halten. Es ist also immer das Wie - oder der Stil. Und natürlich die soziale Fähigkeit, eine «Community» zu bilden.

Auch das BildBlog lebt ja nicht parasitär von der Massenauflage der BILD, denn diese Massen lesen das BildBlog eben nicht, sondern es lebt von dem Sarkasmus, dem Witz und sprachlichem Können der Macher: Die BILD wird dort Tag für Tag ironisch überboten. Und wie zum Beweis rollt Stefan Niggemeyer, der Kopf hinter dem BildBlog, mit seinem neuen Blog, das ganz ohne die BILD auskommt, die Charts gleich noch einmal von hinten auf. Ähnliches gilt für die Blogbar, für wirres, für Indiskretion Ehrensache, für Industrial Technology, für Spreeblick, für den Shopblogger - diese Blogs leben doch alle nicht davon, dass die Menschen das Produkt - also bspw. einen kleinen Supermarkt in der Bremer Gastfeldstraße - so geil fänden, sie lieben die Art, wie hier über Themen berichtet wird. Mit anderen Worten: Sie lieben «das Schriftstellerische» und Artistische der Blogs. Und dort, wo das Schreibenkönnen und die PR endlich mal zusammenfinden, da hat sogar euer Herzensthema Erfolg - siehe Robert Basic. Und selbst trockene Rechtsverdreher finden Leser - wie bei Udo Vetter im lawblog.

Ansonsten aber leiden alle eure Ansätze darunter, dass in Deutschland beim Studium der Kommunikationswissenschaften das Schreiben eben nicht gelehrt wird: Arbeitet an eurem Stil, dann wird das auch mit dem Bloggen was!

Einige Beispiele für den grauenhaften Ist-Zustand eures Metiers habe ich hier aufgespießt:

hier
oder hier
oder hier
oder hier
oder da.

Wie heißt es im Cluetrain Manifesto so schön: Wir sind immun gegen Werbung. Vergesst es einfach.

 
 
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