letzte Kommentare / Das mit der "Querfront"... kristof / Ich hatte nach dem... chat atkins / Huhu, Herr Chat.... kristof


05
März
Bayern München:
Das Ganze ist weniger als die Summe seiner Ersatzteile.

 
 
Die Schweizer Pressefreiheit ...
... wird in diesem schönen Text gebührend abgefeiert, und zwar so, dass alle unverbesserlich Publizistik- und Journalismusgläubigen gewaltig mit den Ohren schlackern dürften ...

 
 
Bunzfallera!
Der olle Kalle, das war schon so'n Voyeur und gewiefter Skipper auf allen Kanälen dieses Planeten:

Marx hat sich die Maschinen angeguckt und in ihnen eine Kraft, ein Potential entdeckt, das man in verschiedene Kanäle stecken konnte: Sozialismus, Kommunismus, Kapitalismus. Und es scheint: Die Gegenwart bietet nicht mehr genügend Potential, um die Zukunft mit ihr auf den Kopf zu stellen.

Herr Doktor, meine Vorstellungskraft tut mir hegelianisch weh, immer, wenn ich eine auf dem Kopf stehende Zukunft seh ...!

 
 
Journalismus und Demoskopie
Bei der allgemeinen Forsa-Lobhudelei unserer Presse fällt es mir schwer, gutgläubig weiterhin von Zufällen zu reden. Zu häufig zeigt sich mir die gefällige Inszenierung einer allgemeinen Merkel-Mania, welche die Krise nur möglichst gewohnheitskompatibel und gewissheitsfreundlich auszupolstern trachtet.



Ein Beispiel: Am 4. März veröffentlicht Manfred Güllner, unser bundesdeutscher 'Liebling Presse', seine allwöchentliche Umfrage für Stern und RTL. Prompt schwingen sich die Auguren in den jeweiligen Redaktionen - meist also die Chefredakteure - aufs ächzende Dreibein und konstatieren zum Exempel folgendes:

"CDU auf tiefstem Stand seit 2006 ... Die Union ist im Abwärtstrend. In einer Forsa-Umfrage fielen CDU/CSU in der Wählergunst auf den tiefsten Stand seit Juli 2006. 33 Prozent der Befragten gaben bei der wöchentlichen Umfrage des Magazins "Stern" und des Fernsehsenders RTL an, CDU oder CSU wählen zu wollen - ein Prozentpunkt weniger als in der Vorwoche. Auch der mögliche Koalitionspartner FDP büßt einen Punkt auf 17 Prozent ein.".

Halten wir an dieser Stelle zunächst eins fest - Forsa misst immerhin noch vier Prozentpunkte Vorsprung für schwarzgelb, die neoliberalen Parteien FDP und Union könnten damit bizziniss äs juschäl betreiben und die deutsche Bourgeoisie müsste sich noch nicht schlaflos im Bettchen wälzen, wie auch der Pofalla uns nicht gleich mit dem Popanz des Kommunismus dräuen müsste. Der Text stammt übrigens aus einer traditionell eher SPD-freundlichen Zeitung, aus der Frankfurter Rundschau.

Ich als argloser Mensch bin ja unverdrossen der Ansicht, dass sich ein Journalist eine echte Sensation nicht entgehen lassen soll - und dass er das vor allem auch nicht darf, aus berufsethischen Gründen. Doch die wirkliche Sensation in diesem Fall lieferte - in völligem Gegensatz zu Forsa - das mindestens ebenso seriöse Institut Emnid schon tags zuvor: Dort schifft schwarzgelb in den Umfragen sehr viel gnadenloser ab - und nicht bloß so'n 'klein büschen' wie beim Guido-Güllner: Bei Emnid liegt Rot-Rot-Grün derzeit mit 49:47 Prozent solide VOR den Schwarz-Liberalen. Die CDU hat gerade mal einen Restzuspruch von 32 Prozent - und auch der Guido zeigt eher Zwergwuchs. Und sollte sich die große Krise ab dem Sommer erst einmal im Alltag der Menschen bemerkbar machen, dann sähe es ab Herbst wohl noch schlimmer aus für die Fraktionen der Vereinigten Marktradikalen. Man braucht kein Prophet zu sein, um das zu ahnen.

Hier also wäre die richtige publizistische 'Knaller-Story' zu finden gewesen - der Stoff aus dem die journalistischen Träume sind. Ich sehe die Headlines förmlich vor mir: "Merkel ohne Mehrheit!", "Der Neoliberalismus erhält die Quittung", "Guido, der ewige Kronprinz", "Die Krise frisst ihre Väter" - und alle Chefkommentatoren dieser Republik könnten kluge und klügste Spekulationen an diese Zahlen knüpfen - von der Zeitverzögerung des Krisenbewusstseins, vom Schwinden alter Wahrheiten, von der Wankelmütigkeit des Wählers, von Seehofers narzisstisch-selbstgewissem Rabaukentum - was auch immer ihnen dazu einfiele, wahlweise Abgesänge, Zukunftsarien oder wirres Zeug auf der Einerseits-Andererseits-Schiene.

Vor allem aber wäre diese Nachricht endlich einmal etwas Neues gewesen - während doch zugleich die Novität das Lebenelixier jedes Journalisten ist. Aber nichts, nada, rien, nitschewo, nothing ... der Stern, der Spiegel, die Süddeutsche, Markworts 'Fokus' natürlich auch - "Merkel weiter klar in Führung" - alle Massenblätter mit qualitativ-objektivem Anspruch sprangen auf die große Sensation gar nicht erst an, sondern sie zitierten lieber den uninteressanten Forsa-Güllner und sein Mantra 'Alles bleibt, wie es immer schon bleibt'. Nur dort, wo sich ohnehin kein unentschiedener Wechselwähler jemals hinverirrt, am rechten Rand des Bürgertums, da durfte ein wenig Panik gemacht werden: in der Welt also oder auch im fernen Ausland bei Reuters.

Unser real existierender Journalismus mit den eingeschlafenen Füßen scheint flächenhaft vergessen zu haben, was sein Metier wäre. Da wird von sachstandsverwaltenden Schnarchbärten nur noch lauwarm demoskopisch daherkommentiert, dann, wenn der neoliberal bemooste Forsa-Güllner mal wieder die Rosinante alter Gewissheiten zäumt.

Woran aber liegt es, dass der deutsche Journalismus cum grano salis nur noch das sieht, was er seit Anno Reagan sehen will oder darf? Von der Welt oder der FAZ, von den wirtschaftsliberalen Schlachtschiffen also, wäre ich solche Sensationsvermeidung - "da nicht sein kann, was nicht sein darf" - ja noch gewohnt gewesen. Aber die Frankfurter Rundschau, die müsste ja schon eine abenteuerliche ideologische Kehrtwende verordnet bekommen haben, wenn sie redaktionell plötzlich kontra Rotgrün gebürstet wäre? Gibt es denn eine systematisch antrainierte oder erworbene Unfähigkeit, zu sehen, was vorliegt, was jenseits des kleinen Newsdesk sich ereignet? Kennen die in den Redaktionen keine Leute außerhalb ihres gut abgelagerten Bezugskreises mehr? Wissen die nicht, wie längst auf der Straße gesprochen wird? Ist es eine eingeschworene journalistische Gemeinschaft, die an jedem Mittwoch ergriffen 'Hallelujah!' singt und auf ihren großen Guru Güllner nichts kommen lässt?

Ich frage mich, ob ich den politischen Journalismus in Deutschland noch ernst nehmen sollte - und immer mehr Leser scheinen das ähnlich zu sehen. Es genügt, sich die Auflagen mancher Zeitungen anzuschauen ...

Bild: Carl Spitzweg: Der Alchimist, wikimedia, Public Domain

 
 
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