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08
Juni
Provinzposse
Wer sich mit Politik befasst, sollte Pawlows Reiz-Reflex-Schema kennen. Ein Beispiel: Hier in Bremen haben wir ein Ortsamtsgesetz. Unsere kleine Stadt ist dadurch in "Dörfer" aufgeteilt. Jedes Dorf hat einen Häuptling, den Ortsamtsleiter, der von den direkt gewählten Beiräten ausgeguckt wird. Der Innensenator muss ihn als "Beamter auf Zeit" für 12 Jahre bestätigen. Das steht vor allem deshalb im Ortsamtsgesetz, damit der hochweise Senat eine zweite Räterepublik notfalls verhindern kann - ist aber ansonsten nur eine Pro-forma-Regelung. Der Ortsamtsleiter ist "den Interessen des Stadtteils" verpflichtet, und er muss die Empfehlungen des Beirats in die Behörden, in den Senat und in die Bürgerschaft hineintragen. So weit, so gut. CDU-Innensenator Röwekamp hat jetzt die Ortsamtsleiterwahl als Versorgungsinstitut entdeckt. In einer klammen Stadt wie Bremen gibt es nichts mehr zu verteilen, da werden für Parteifreunde auch die minderen Posten interessant. Im Norden der Stadt möchte er einen seiner Buddies durchdrücken, der aber ganz und gar nicht das Wohlwollen des Beirats findet, auch nicht das der CDU-Fraktion. Wie ein beleidigtes Kind blockiert er daraufhin alle anderen Entscheidungen, bevor nicht der Beirat seinen Teddy wählt, den der aber gar nicht wählen will. Und weil ja jemand Schuld sein muss, der nicht Röwekamp heißt, greift der gute alte CDU-Beißreflex: Natürlich haben die Grünen schuld. Obwohl die weder in dem einen noch in dem anderen Beirat eine irgendwie entscheidungsrelevante Stärke haben. Politischer Lerneffekt: An dieser Provinzposse kann man sehen, wie und weshalb in einer großen Koalition alle Konflikte über Bande gespielt werden müssen.
07
Juni
Sokrates, der Philister
Und wieder stolpere ich über einen Text, der Immanuel Kant als "wichtigsten Denker der deutschen Aufklärung" abfeiert. Okay, okay, er hat den Aufsatz "Was ist Aufklärung?" geschrieben, selbst aber ist er mit seiner Vernunftsskepsis und der Absage an jede Erkenntnis a priori eher nach der Aufklärung anzusiedeln.
Der Held der geselligen Bildungsphilister zu Nicolais Zeiten aber war Sokrates - ein Wiedergänger aus der Antike. Kein Autor, der etwas auf sich hielt, der nicht "sokratische Gespräche" verfasst hätte. Vor allem Moses Mendelssohns "Phaidon", ein aufklärerischer Aufguss sokratischer Dialoge, stürmte die Bestsellerlisten. Bezeichnend, dass ausgerechnet ein Erz-Steißtrommler wie Sokrates die deutsche Aufklärung derartig dominierte. Ein Mann, der immer so lange rechthaben wollte und noch einmal alle Argumente wiederkäute, bis alle Gesprächspartner entnervt den Laberknopp verließen; ein Schwatzsack, der jeden in Grund und Boden ramenterte; ein Walter Jens der Antike. Und abends, wenn sich der philosophische Marktschreier endlich nach Hause verdrückte, gab's so lange Senge von seiner Frau, der Xantippe, bis er endlich still war. Eine überforderte Frau, die mir immer absolut sympathisch war. Letztlich ist es kein Wunder, dass ihm das Volk den Schierlingsbecher genau dann reichte, als die Demokratie in Athen regierte. Dieses Gebräu war der Ausdruck eines demokratisch vollstreckten Volkswillens, der sich durchaus auch auf manche Großschwätzer unserer heutigen Medien anwenden ließe. Jedenfalls - dass ausgerechnet Sokrates der Held der deutschen Aufklärung wurde, sagt viel über ein grundlegendes deutsches Missverständnis aufgeklärten Handelns aus. Erfolgreiche Aufklärung kann auf die Guillotine nicht verzichten - und auf einen Schierlingsbecher für die Rampensäue unserer Diskurskultur. Sargt jedenfalls dieser Chat
31
Mai
Was meinen Meinungsmacher bloß?
Der Willi Wichtig vom anderen Stern, wechselt seine Meinungen wie andere Leute die Unterhosen - also meist ziemlich häufig: siehe zum Beispiel taz. Aber auch in Stephan Austs Hamburger Mediengestüt folgt auf jenen Artikel, der über die hohen Sozialkosten in Deutschland barmt, unmittelbar darauf ein Beitrag, der wiederum über zu geringe Ausgaben im sozialen Bereich quakt. Langer Rede kurzer Sinn: Besteht ein Leben als AAA-Medienmogul und großer Meinungsmacher denn wirklich darin, uns täglich eine neue, gaaanz andere Meinung zu machen? Und ist so ein Job nicht furchtbar schwer? Ach, es ist wohl wahr: "Den Journalisten nahm ein Gott, zu leiden, was sie sagen".
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