letzte Kommentare / Das mit der "Querfront"... kristof / Ich hatte nach dem... chat atkins / Huhu, Herr Chat.... kristof


04
November
Literaturkritik auf Welt-Niveau:
"Und schließlich haben die Leute es satt, sich in der Literatur anöden lassen zu sollen von Autoren, die nichts erlebt, durchdacht und folglich nichts zu sagen haben und mit Befindlichkeitsprosa langweilen, die noch nicht einmal durch Charme für sich einnimmt. Darum hoch die welthaltigen Erzählwerke eines Martin Mosebach!"

Jaja, 'sich ... lassen zu sollen'. Und woran merken wir jetzt, dass das Mausi mit der Bücherallergie den Mosebach nie gelesen hat? Vielleicht gar an solchen Mosebach'schen Sätzen voller 'Welthaltigkeit' und Luzidität? "Eine meditative Erforschung des Sujets, ein Umgang mit dem Modell, der allen interpretatorischen Eifer überwunden“ habe, könne „niemals der Gefahr eines vordergründigen Naturalismus erliegen“. Und was der Mosebach laut Eigenaussage niemals könne, das findet das Mausi beim Mosebach dann wiederum vor. Merkt ja keiner!

 
 
02
November
Ischa November ...
... Zeit für ein wenig Melancholie:

"Ich lebe nicht, um zu leben, sondern weil ich lebe". (Jean Paul)

 
 
28
Oktober
An Mängelexemplaren ...
... ist der einzige Mangel der Stempel 'Mängelexemplar'.


 
 
22
August
Der Ben Becker ...
... um den es sosseiiti-mäßig in letzter Zeit etwas still geworden war, der hat plötzlich eine Super-Idee gehabt. Er entdeckt das Pastorale in sich und liest uns öffentlich was aus der Bibel vor: "Wenn es am Ende eine Message geben kann, dann kann es nur eine sein: Liebe".

Tscha - und alle Medien steigen begeistert drauf ein.

Aber weißt du was, Ben Becker, du alter Pharisäer: Die Idee, die hatte unser alter Dorfpastor auch schon, und seine Vorgänger ebenfalls. Jeden Sonntag lasen sie uns aus der Bibel vor - und sie trauten sich sogar eine Auslegung zu. An so etwas wagst du dich ja gar nicht ran - du, du, du Popliterat!

 
 
22
Juli
Weil's so schön war ...


... gleich noch einen, diesmal von jenem Wiener, der mir die Österreicher überhaupt erst wieder sympathisch machte - von Heimito von Doderer:

"Journalistik entsteht durch Angleichung eines Autors an die in der Sprache seines Zeitalters jeweils herrschende Art literarischer Herabgekommenheit."

Andere sprechen meines Wissens von einer literarischen 'Schwundstufe' ...

Bild: Strudlhofstiege, Wien / wikipedia.org

 
 
Fontane hat doch recht.


Betrachte ich mir unseren verschnarchten Eins-Null-Journalismus mit seinen Idealen von Neutralität und Emotionslosigkeit, dann möchte ich ihnen allen eine Literflasche von diesem gut abgelagerten Neuruppiner Drachentöter zwangsweise einflößen:

"Die Leute sind all auf dem Holzweg, prinzipiell, indem sie meinen, eine Zeitung müsse durch ruhige besonnene Darstellung wirken. Das ist lächerlich, so schreibt man für Staatsmänner, aber nicht fürs große Publikum".

Bild: Fontane-Denkmal Neuruppin, wikipedia.org

 
 
04
Juli
Schöne Headlines / Folge 6
Manchmal frage ich mich, auf welche intellektuellen Restbestände PR-Fuzzies beim Schreiben wohl zurückgreifen?

Ein Beispiel: Alles 'Wachstum' ist, wie jedes Kind weiß, grundlegend organisch. Stellen wir uns stellvertretend für diesen Sachverhalt kleine Ferkel vor, die zu leckeren Koteletts heranreifen. Und dann stellen wir uns mal diese kleinen, heranwachsenden Ferkel vor, dürfte diese schöne Headline sie verwursten:

Oriental City Group - China-Player mit explosivem Wachstum

Tscha - und wer wischt die Schweinerei wieder weg? Nebenbei, bester Schreiberling, für übermäßiges Wachstum hält unsere Sprache durchaus schöne und angemessene Adjektive bereit: 'hypertroph', 'tumorartig', 'adipös', 'ungesund', 'wuchernd' ...


Zurück zu den Zitzen der Sprachlichkeit ...
Bild: Stock.xchng 737075

 
 
02
Juli
Schöne Headlines / Folge 5
Das mit dem Singular und dem Plural, das üben wir solange, bis es sitzt, bevor wir dann die paradoxienfreie logische Zuordnung innerhalb eines Satzes pauken. Dabei ist es so einfach - drei Buchstaben und eine Leerstelle streichen, und schon klappt's auch wieder mit der Grammatik:

'RTL und ARD waren im Juni die Sieger und Verlierer'


Über die Diskrepanz von Bild- und Textschiene sehen wir hinweg ...

Nebenbei: Die ARD darf sich doch nicht wundern, dass ihr 'die Jungen' stiften gehen, wenn sie fast jeden Abend die Prime-Time mit Humtata-Musik für das quietschfidele Altersheim dichtkleistert.

 
 
29
Juni
Schöne Headlines / Folge 4
Beef rückt die Damen der Werbezunft in den Fokus.

Und alles ward wieder 'Lokus' ...

 
 
Ein guter antisemitischer Roman?
Ja, so etwas gibt es - Literatur und Moral sind schließlich keine Geschwister. Ich meine damit auch nicht die üblichen Verdächtigen - weder Gustav Freytags 'Soll und Haben' noch Wilhelm Raabes 'Hungerpastor'. Ich rede von Heinrich Mann und seinem Debutroman 'Im Schlaraffenland'. Ein zugewanderter galizischer 'Landstreicher aus dem Wilden Osten', der Jude James L. Türkheimer, beherrscht darin mit seinem Börsengeld die gesamte Kunst- und Journalistenszene Berlins um 1890. Heinrich Mann nimmt insbesondere die ästhetischen Konsequenzen aufs Korn: Entscheidend ist in dieser Welt nicht mehr der Rang eines Kunstwerks, sondern vielmehr, wer mit wem schläft. Im Zentrum steht eine parodierte Aufführung von Gerhard Hauptmanns 'Die Weber', ein Stück, das dort unter dem Titel 'Rache' mit seiner Abschlachtung der Bourgeoisie durch vertierte Proletarier dem Nervenkitzel dieser affektierten Bourgeois-Blase dient.



Es ist ein Schlüsselroman jüdischen Gesellschaftslebens in jeder Hinsicht: die Ullstein'schen und Mosse'schen Schreiberlinge werden aufs Korn genommen, Kerr hoppelt durchs Bild, Theodor Herzl, der Vater des Zionismus, dienert als 'Anwalt Liebling' durch die Salons, Heinrich Mann selbst tritt als einzig 'wirklicher Künstler', als Schriftsteller Friedrich Köpf, in Erscheinung, der eine 'Sonde' in Person des Provinzlers Andreas Zumsee in Türkheimers Dunstkreis platziert, indem er ihn mit Madame Türkheimer verkuppelt. Das Personal der Salons heißt 'Schmeerbauch', 'Kaflisch', 'Goldherz', 'Süß', 'Jekuser' oder 'Bediener'. Zumsees Aufstieg zum 'Dramatiker' ist durch seine Liaison unaufhaltsam, weil alles, was feuilletonistisch jubeln kann, das Spiel für den Erwerb von Vorzugsaktien mitspielt. Zum Schluss wird Zumsee wieder rausgekegelt, weil er Frau Türkheimer mit Türkheimers Geliebter betrügt.

Das 'System Türkheimer' aber bleibt bestehen. Wie ein Renaissancefürst setzt der Börsenspekulant nach einer gigantischen Finanzspekulation mit 'texanischen Gold Mounts' dem besiegten Berlin den Fuß in den Nacken. Ach so - selbst die beliebte Arbeiterbewegung spielt im Roman keine revolutionäre Rolle mehr, der Sozialdemokrat Matzke verkuppelt vielmehr höchstselbst seine minderjährige Tochter an James Türkheimer um 'auf Jummirädern fahrn' zu können. Und der verarmte preußische Adel - 'müde Rasse' - gibt seinen Namen her für profitable Heiratschancen im jüdischen Milieu.

Kurzum: Wenn das kein Antisemitismus ist, dann weiß ich auch nicht. Heinrich Mann hatte kurz zuvor auch für die Zeitschrift 'Das 20. Jahrhundert' - und darin unter Titeln wie 'Jüdischen Glaubens' - antisemitische Pamphlet-Artikel verfasst, die den Texten eines Dühring oder Marr in nichts nachstehen. Was Manns Antisemitismus hier allenfalls erträglich macht, ist, dass in diesem Buch ausnahmslos alle ihr Fett wegbekommen, niemand ist mehr 'Hoffnungsträger', schon gar nicht der betrogene 'arische Bürger', das sind nationale Kollerfiguren, die Heinrich Mann als 'anständige Spekulanten' verhöhnt, die nur darum 'anders' zu sehen sind, weil es bei ihnen zum großen Coup nicht reicht. Eigentlich bleibt nur Friedrich Köpf unbesudelt, eine typische Ästhetenposition also: Heinrich Mann sucht Asyl auf dem Parnass.

Unter literarischem Gesichtspunkt ist das Buch rasant geschrieben, stellenweise urkomisch und das Personal lebt - Heinrich Mann ist eben nicht irgendwer. Die blöden Nazis haben dies Buch 1933 auch noch verboten - das nennt sich dann wohl vollends 'Ironie der Geschichte'. Während die Sozialisten der DDR es kommentarlos immer wieder aufgelegt haben, weil es ja unter anderem auch gegen den Kapitalismus geht ...

Der Text findet sich, unwesentlich verändert, auch in meinem Wörterblog.

 
 
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