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27
Juli
Born in Bremerhaven, USA
Die Stadt und die Region ringsum steckten damals voller GI’s, die ihre unausgeheilten Vietnam-Erfahrungen mit Drogen aller Art dauerhaft balsamierten. Es ist kein Witz: In den frühen Jahren der Hippiebewegung lag das bundesdeutsche Drogen-Mekka in „Fishtown“ an der Unterweser.


Bremerhaven: In the Land of the Free

Der zugedröhnteste Schuppen von allen trug seit Hein Mücks Tagen einen maritimen Namen: Vor der „Haifisch-Bar“ gab es eine kleine Grünfläche mit Trauerweide und Bänken, direkt am Kochlöffel-Gymnasium, wo nackte Oberschenkel minimalistisch bekleideter Kleinbürgerstöchter unanständige Assoziationen bei bekifften Schulschwänzlern weckten. Drinnen gab es Tischfußball und Flipper, roten Libanesen beim kleinen Klaus und schwarzen Afghanen beim großen Klaus, auch teuren Schimmel und gute „Psychedelics“. Die Musik - Zappa, Beefheart, Incredible String Band, Jefferson Airplane und all so'n Tüch - war zum Kopfausschwenken da, motorisch trat man sachte auf der Stelle.

Schwoof gab’s auch – der fand am Wochenende in den Kellern privater Einfamilienhäuser statt: „Sympathy is all you need my friend …“. Rare Bird, Matratzenlager, Fummeln unterm Nicki, Ingrid – ach! Heißere Tänze gab’s eigentlich nur am Wochenende, wenn saufende Rock’n’Roller in die "verlängerte Bürger" einfielen, um Hippies aufzumischen. Waren genügend kampferfahrene GIs vor Ort, dann stand der große Bericht über die Massenschlägerei am nächsten Tag in der „NORDSEE-ZEITUNG“, während deren Kommentatoren um „Recht und Ordnung“ barmten.

Schlimm waren Tage, an denen ein Bremerhavener die Hand nicht mehr vor Augen sah: Kam dieser unmerkliche Wind aus Südwest, mit dichtem Nebel verbunden, dann mischte sich die hypnotische Wirkung des schwarzen Schimmels mit klagenden Möwenschreien, hintergründig blökenden Nebelhörnern und einem infernalischen Fischgestank, der von Wulsdorf her die ganze Stadt in Geiselhaft nahm. Fuhr einer in Richtung Fischereihafen mit dem „Gammel-Express“, mit der Linie 4 also, dann miauten ihn noch draußen auf dem Dorf tagelang grätengierig die Katzen an. Erfahrene Fahrschüler mieden natürlich diese Strecke, an deren Rand Firmen mit so seltsamen Namen wie Schlotterhose & Co. lagen.


Zu schmal, um breit hindurchzupassen: Die alte Geestebrücke

Auch andere Windrichtungen hatten es in sich: Wo Kaffeeproduzenten - Ronning, Schlobohm - „rrrrössstfrisch“ ihr Aroma verbreiteten, roch es säuerlich nach ungelüfteter Wohnküche, selbst die Karlsburg-Brauerei, beliebtes Ziel an Ausflugstagen in der Oberstufe, ließ an Maische-Tagen gern einen blauen Stunk flattern durch die Lüfte. Sturm gemahnte in Bremerhaven nicht ans offene Meer, sondern an nassen Schlick. Olfaktorisch war die Stadt an der Geestemündung das Ende jeder Sinnlichkeit, damals, als noch „die Fischmäihlfabrikn Rekloamä moachtn“ und alle Welt nicht zu, sondern „na-ach Ramelow“ ging, um sich die neue Jacke gegen den ewigen Regen zu kaufen.

Jene kleinen Traktoren, die mit zehn und mehr Wägelchen rotfiletierter Kabeljau-Skelette im Fischereihafen übers Kopfsteinpflaster rumpelten, während darüber eine Wolke aus Tausenden schrill kreischender Silbermöwen stiebte, die rollen längst nicht mehr. Heute sitzen im „Schaufenster Fischereihafen“ gesittet jene „Happy few“, die hier noch eine Perspektive sehen, die duftenden Fischmehlfabriken aber sind Geschichte. Aus dem Vorhof der Hölle ist das letzte Refugium einer ungewissen Zukunft für Bremerhaven geworden. Was aber Beine hat, rennt. Bremerhaven soll im Jahr 2020 weniger als 100.000 Einwohner haben, in meiner Schulzeit waren es knapp 200.000 - mit GIs, versteht sich. Die sind aber übers Meer verschwunden - mit ihnen die Musik, das Dope und die guten Filme, die man in unserer Staging Area mit ihrer angegliederten RADIO CITY sah, lange bevor sie in deutsche Kinos kamen.


Keine Chance, antiamerikanisch zu werden

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Schnüüüff...
Sauce were the days.
Erzähl weiter, Daddy, es war grad so schön mit den Nickis, den Amis und Affgahnen jedweder Kulör...
... un die goile Mucke!
 
Du hingegen versautest dir die Ohren früh mit dissm Glitzer-Rock und mit Slade und Bay City Rollers und kamst dir dabei auf deinen ulkigen Plateausohlen wunder wie groß vor - mien armes Hascherl. Und dabei bist du ungelenker Tanzbär auf diesen ungewohnten Highheels immer mit'm Deetz oben an die Disco-Kugel gescheppert. Wat man heute noch merkt ...
 
Linie 3 bin ich auch gefahren, selbstverständlich auch O-Bus und die einzige Stelle, da Fahrschüler Anfahren am Berg üben konnten. Vielleicht war das etwas vor Ihrer Zeit, denn an GI-Hippie-Kämpfe kann ich mich nicht erinnern, nur Rocker gegen Matrosen.
 
Die Linie 3 rumpelte irgendwie aus Speckenbüttel kommend via Lehe und Lloydstraße über die Bürger hinein nach Geestemünde, wo's über die Georgstraße zum Hauptbahnhof ging. So jedenfalls meine Erinnerung.

Die Konstellation GIs gegen Hippies gab's eigentlich selten. GIs waren Hippies gegenüber eher hilfsbereit, sie standen ihnen bei, wenn die Jungs von der Holzhafen-Gang schmächtige Indienfahrer anpöbelten. Das lag vermutlich am gleichen Drogen- und Musikgeschmack - und an den besseren Sprachkenntnissen auf Seiten der "Haschrebellen".

Die legendären Schlachten von Rockern und Marineschule fanden alljährlich auf dem German-American-Volksfest statt, auf dem großen Platz vor der Unterweser-Werft. Das waren zu meiner Zeit aber tatsächlich schon Mythen der Jugendkultur. Gesehen habe ich keine.

Wo war "Anfahren üben"? Am Fähranleger? Oder irgendwo am Deich?
 
Leider habe ich in einem Anfall von Mönchswahn alles ohne Belang weggeworfen. Und so habe ich keinen Grundschulatlas mit Straßenbahnlinien mehr. Möglicherweise drehte die Linie 3 schon in Speckenbüttel. Die Schienen dafür liegen meines Wissens immer noch. War es die Linie 2, die weiter nach Langen fuhr? An die Linie 4 nach Wulsdorf kann ich mich auch erinnern Der O-Bus fuhr nach Schiffdorf. Als ich zur Blütezeit von 150.000 Einwohner Bremerhaven verließ, gab es noch gar keine Hippies, wohl aber schon Motorradfahrer, die auch wirklich Rocker waren und nicht wie heute nur so aussahen. Die Fahrschulsteigung war wohl eine Brückenauffahrt irgendwo im alten Hafen in der Nähe der drei abknickenden Vorfahrten in Folge.
 
Laut Internet muß meine Erinnerung mich getäuscht haben. Die Linie 4 fuhr nicht nach einer Runde durch den Fischereihafen nach Wulsdorf. Das war bis 1960 die Linie 3. An das Depot dort kann ich mich noch gut erinnern. Der Betrieb des O-Busses wurde schon 1958 eingestellt. Vielleicht rührt mein technisches Interesse von dessen Weichen her.

Strecken (5 MB!) | O-Bus
 
Die Amis haben mich auch geprägt. Aufgewachsen in Frankfurt/M. und später im freien Teil Berlins. AFN war der einzige Sender, den man hören konnte (und in Berlin RIAS 2). Privatradio gabs noch nicht. Damals konnte man noch zu Bekannten in die Kaserne, die haben einen mitgenommen in die Clubs, Truthahnessen zu Weihnachten, usw.
 
In das Kino der "Staging Area" kam ich rein, weil wir mit einer amerikanischen Offiziersfamilie befreundet waren. Durch die beiden Söhne lernte ich früher als andere gesalzenes Popcorn schätzen.

American Forces Network Radio war für die Bildung natürlich unverzichtbar.
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