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08
Juni
Provinzposse

Wer sich mit Politik befasst, sollte Pawlows Reiz-Reflex-Schema kennen.
Ein Beispiel: Hier in Bremen haben wir ein Ortsamtsgesetz. Unsere
kleine Stadt ist dadurch in "Dörfer" aufgeteilt. Jedes Dorf
hat einen Häuptling, den Ortsamtsleiter, der von den direkt
gewählten Beiräten ausgeguckt wird. Der Innensenator
muss ihn als "Beamter auf Zeit" für 12 Jahre
bestätigen. Das steht vor allem deshalb im Ortsamtsgesetz,
damit der hochweise Senat eine zweite Räterepublik notfalls
verhindern kann - ist aber ansonsten nur eine Pro-forma-Regelung. Der
Ortsamtsleiter ist "den Interessen des Stadtteils" verpflichtet, und er
muss die Empfehlungen des Beirats in die Behörden, in den
Senat und in die Bürgerschaft hineintragen. So weit, so gut.

CDU-Innensenator Röwekamp hat jetzt die Ortsamtsleiterwahl als
Versorgungsinstitut entdeckt. In einer klammen Stadt wie Bremen gibt es
nichts mehr zu verteilen, da werden für Parteifreunde auch die
minderen Posten interessant. Im Norden der Stadt möchte er
einen seiner Buddies durchdrücken, der aber ganz und gar nicht
das Wohlwollen des Beirats findet, auch nicht das der CDU-Fraktion. Wie
ein beleidigtes Kind blockiert er daraufhin alle anderen
Entscheidungen, bevor nicht der Beirat seinen Teddy wählt, den
der aber gar nicht wählen will. Und weil ja jemand Schuld sein
muss, der nicht Röwekamp heißt, greift der gute alte
CDU-Beißreflex: Natürlich haben die Grünen
schuld. Obwohl die weder in dem einen noch in dem anderen Beirat eine
irgendwie entscheidungsrelevante Stärke haben. Politischer
Lerneffekt: An dieser Provinzposse
kann man sehen, wie und weshalb in einer großen Koalition
alle Konflikte über Bande gespielt werden müssen.
 

 
 
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