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25
Juli
Heute kommt hier alles in die Wurst
Aus meinem Mailverkehr:
Hallo, [Kuno], nochmals zu diesem Bunz-Text: Es handelt sich NICHT um eine ‚Buchbesprechung‘, besprochen wird der Umgang von ‚Alphamiez und Alphamotz‘ miteinander – so der ursprüngliche Titel. Besprochen werden also eine Rezension von Bernd Graff und die darauf folgende Replik von Mercedes Bunz auf seine Besprechung ihres Buchs in der 'Süddeutschen'. Es geht um zwei Texte IM Netz, und nicht um diese Printe selbst. Das gedruckte Buch ist zum Verständnis meines Textes nicht erforderlich. Es geht um Prinz und Prinzessin im Reiche Theoretistan. Im Harnisch der Theorie Beide, die sich auf fachverwandtem Gebiete für ‚podiumskompetent‘ halten, schleichen gewissermaßen als Konkurrenten um den Titel des führenden journalistischen 'Kommunikationstheoretikers' umeinander her: Mercedes Bunz merkt dabei noch nicht einmal, dass sie vom Graff mit viel Ironie durch den Kakao gezogen wird. Beide sind sich trotzdem auf eine höchst lustige Art sehr ähnlich. Beide benutzen die Theorie weniger als ein Mittel der Erkenntnis, sondern mehr als ein Instrument der Selbstdarstellung und -überhöhung. Es geht um den Titel des philosophischen Leitwolfs im Feuilleton bzw. im Web 2.0. Graff dröhnt dabei machistisch mit 'Behaviorismus' und mit 'zweiter amerikanischer Moderne' daher, was wohl seine bevorzugten Intellektual-Piercings sind, obwohl die ‚Black Box‘ des Behaviorismus mit ihren Reiz-Reflex-Schemata seit Jahrzehnten doch schon theoretisch tot überm Zaun hängt. Die Halbleitertechnik samt den daraus folgenden integrierten Schaltkreisen – technische Erfindungen also - haben 'zum Internet' meines Wissens einen größeren Beitrag geleistet als Skinner und Pawlow mit all ihren Texten oder als die Rhizome der Poststrukturalisten. Bunz fühlt sich auf dieser begriffsgewaltigen Ebene dem Graff nicht wirklich gewachsen, so interpretiere ich jedenfalls ihre konfliktscheue Reaktion. Sie flötet freundlich und konziliant herum, wo ich mit dem Graff 'Schlitten gefahren' wäre, und sie flüstert schamanistisch den Namen des ‚Großen Luhmann‘, um den Angreifer mit einem theoriegewaltigen Dämon zu bannen. Von dem sie aber – wiewohl sie in Bielefeld studiert hat – selbst wohl eher wenig überzeugt ist. Denn Guattari, Derrida und Deleuze, die Frau Bunz (auskünftlich des Herrn Graff) ja ständig mit in ihre historische Ratatouille schmeißt, samt 'Grammatologie' und dem ollen 'Anti-Ödipus', die verhalten sich zur Systemtheorie Luhmanns nun mal wie Wasser zum Feuer. Poststrukturalistische Dekonstruktivität und systemtheoretische Konstruktivität – das geht einfach nicht zusammen: Man kann nicht gleichzeitig schwimmen und fliegen, nicht Christ und zugleich Muslim sein, nicht auf 1000 Bezugsebenen herumhampeln und gleichzeitig den Luhmann'schen Dachsbau bewohnen. Zu Luhmanns Club gehören daher auch eher Figuren wie Rawls, Parsons, Ashby, von Foerster, Maturana usw., aber nicht die französischen Begriffsartisten auf ihren 'Mille Plateaus'. Die sind in der Regel nur 'Sloterdijk hoch zwei' ... Kurzum – ohne überhaupt groß in das Buch schauen zu müssen – weiß ich aus den genannten Gründen, dass hier statt einer ‚Geschichte des Internet‘ einfach ein wenig Theorievokabular durch den Wortwolf gedreht wurde - und das Resultat ist jener theoretische Hackepeter, in den der Graff mit konfliktbegierigem Appetit herzhaft hineinbeißt, während er schon das Schwert seines Behaviorismus wetzt (wat'n schiefes Bild!). Beide tragen sie gern diese Einstein-T-Shirts – sie sind aber keiner. Und auf einem poststrukturalistischen 'Rhizom' wachsen eben auch mancherlei Champignons ... Nebenbei: Eine 'Geschichte des Internet' müsste meines Erachtens vor allem auch 'geschichtlich' verfahren und nicht philosophisch, man müsste also gucken, welche Menschen mit welchen Motiven schoben diese Entwicklung mal an, wie konnte mitten in der hedonistischen Hippiezeit dieser kalifornisch-asketische Mönchsorden entstehen mit seinen 16-Stunden-Tagen und den exorbitanten Scheidungsraten, wo die Tischtennisplatten nur deshalb in den Großraumbüros standen, weil es gar keine Freizeit mehr gab, was waren die gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür, was war vorher usw. ... Diese menschenleeren Philosophenwelten aber, wo die Neologismen wie hageldichter Begriffsregen auf uns arme Würstchen einprasseln, wo sich allzuviele davon auch noch beeindrucken lassen, die finde ich dagegen eher lustig statt erhellend – und darum geht es in meinem Text. 'Bloggish' ist das Thema auch noch. Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass es bisher keine 'Theorie' für diese neuen Medien geben kann, die wirklich ihren Namen verdient, weil ‚die Eule der Minerva‘ usw. … Gruß, [Chat] P.S.: Für ein Erscheinen des Textes ist es inzwischen sowieso viel zu spät. Aber wir könnten ja ersatzweise dieses Mailing veröffentlichen. ;-) Bild: MET / wikipedia, CCL
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