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07
Juni
Sokrates, der Philister
Und wieder stolpere ich über einen Text, der Immanuel Kant als "wichtigsten Denker der deutschen Aufklärung" abfeiert. Okay, okay, er hat den Aufsatz "Was ist Aufklärung?" geschrieben, selbst aber ist er mit seiner Vernunftsskepsis und der Absage an jede Erkenntnis a priori eher nach der Aufklärung anzusiedeln.
Der Held der geselligen Bildungsphilister zu Nicolais Zeiten aber war Sokrates - ein Wiedergänger aus der Antike. Kein Autor, der etwas auf sich hielt, der nicht "sokratische Gespräche" verfasst hätte. Vor allem Moses Mendelssohns "Phaidon", ein aufklärerischer Aufguss sokratischer Dialoge, stürmte die Bestsellerlisten. Bezeichnend, dass ausgerechnet ein Erz-Steißtrommler wie Sokrates die deutsche Aufklärung derartig dominierte. Ein Mann, der immer so lange rechthaben wollte und noch einmal alle Argumente wiederkäute, bis alle Gesprächspartner entnervt den Laberknopp verließen; ein Schwatzsack, der jeden in Grund und Boden ramenterte; ein Walter Jens der Antike. Und abends, wenn sich der philosophische Marktschreier endlich nach Hause verdrückte, gab's so lange Senge von seiner Frau, der Xantippe, bis er endlich still war. Eine überforderte Frau, die mir immer absolut sympathisch war. Letztlich ist es kein Wunder, dass ihm das Volk den Schierlingsbecher genau dann reichte, als die Demokratie in Athen regierte. Dieses Gebräu war der Ausdruck eines demokratisch vollstreckten Volkswillens, der sich durchaus auch auf manche Großschwätzer unserer heutigen Medien anwenden ließe. Jedenfalls - dass ausgerechnet Sokrates der Held der deutschen Aufklärung wurde, sagt viel über ein grundlegendes deutsches Missverständnis aufgeklärten Handelns aus. Erfolgreiche Aufklärung kann auf die Guillotine nicht verzichten - und auf einen Schierlingsbecher für die Rampensäue unserer Diskurskultur. Sargt jedenfalls dieser Chat
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