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19
Juni
Liebe Leser?
Des öfteren muss ich Editorials schreiben, weil die Geschäftsführung dafür angeblich "keine Zeit" hat. Über andere Gründe will ich hier nicht spekulieren. Geist verbindet bekanntlich: Man gebe mir drei Fakten, die im Text vorkommen sollen, und ich stelle girlandenartig einen ebenso argumentativen wie plausiblen Zusammenhang her.

Typisches Briefing also: "Diesmal müssen wir unbedingt was machen zu dem Ägypten-Special, am besten mit Pyramiden und deren Alter und auch Geheimnis, ja Geheimnis, wissen Sie, nech. Das interessiert die Leute doch. Den Geschäftsbericht, der kommt ja nächsten Monat, den dürfen wir natürlich auch nicht vergessen - aber mehr so allgemein, bloß keine Details. Wer will das schon wissen. Und dann Thema Höflichkeit, das hab' ich mir gedacht, das interessiert mich ja persönlich, weil ich letzte Woche in Österreich war. In Wien - aber ohne meine Frau, höhö! Jedenfalls - da sind die Leute vielleicht höflich, das kann ich Ihnen sagen. Das kennt man hier gar nicht mehr. Also machen Sie da denn mal was draus, ich weiß ja, sie kriegen das hin."

Die ersten zwei Wörter, die ich schreibe, heißen dann "Liebe Leser". Denn ein Editorial darf nach Ansicht dieses Kunden gar nicht anders beginnen. Während bei allen anderen journalistischen Stilformen der "liebe Leser" mausetot ist, er bestenfalls noch als "Zielgruppe", "Öffentlichkeit" oder "Publikum" vorkommt, da kumpelt der Herausgeber auf "seiner Seite" mit diesen imaginierten Wesen, als würde er sie alle noch persönlich kennen. An diesem Punkt hat ein Stück 19. Jahrhundert im Journalismus überlebt: Es wird ein persönliches Verhältnis zwischen dem Autor und seinem Leser fingiert, so als könne der Leser am Text noch erkennen, welches Individuum hier mit ihm spricht. Dabei hat die journalistische Sprache mit ihrem Objektivitätsanspruch den Texten jede Individualität längst restlos ausgetrieben.



Warum ich das erzähle? In den Blogs - finde ich jedenfalls, "liebe Leser" - kehrt ein wenig von dem ursprünglichen Verhältnis zwischen Leser und Schreiber in die Texte zurück.

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Zwischenfrage
Was ist den nun mit den Pyramiden, Herr Doktor?
 
Nun, das ist doch klar - von Ägypten und vom Geheimnis der Pyramiden geht's schnurstracks hinüber zum "Geschäftsgeheimnis", weshalb ein Geschäftsbericht auch immer nur die Oberfläche des Erfolgs spiegele. Einige der Geheimnisse aber würden auch von den Kunden weitergegeben: Es sind dies der außerordentliche Service, die Gastfreundschaft und die Höflichkeit an Bord, die fast schon österreichisch seien. Noch ein wenig der gewünschten Textpetersilie zum Thema Austria drüberstreuen, Schlußschnörkel.

Schon kann das Omelette serviert werden ...
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