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22
Juni
Randale im Metadiskurs
Eingeschlagen hat's in diesen Blogberitt, nach dem Vorwurf des Plagiats durch einen taz'ler (die Sargnagelschmiede berichtete). Die Besucherzahlen stiegen dementsprechend heftig an. Natürlich saßen die Vorwürfe locker, die Argumentationsgürtel hingen tief - wie das so ist in Bloggville. Richtig dämlich fand ich eigentlich nur den folgenden Anwurf, weniger, weil der Mist in meine Richtung flog, sondern weil der Inhalt großer 'Bullshit' ist: 'Die Bloggerei ist ein wiederkäuendes Wesen mit mehreren Mägen. Chat Atkins' Home liegt im hinteren Bereich - hier wird ausschließlich Vorverdautes weiterverarbeitet. Nicht zur Futterbeschaffung geeignet'.

Die schiefe Bildlichkeit soll mal außen vor bleiben: Eine Kuh ist nun mal physiologisch nicht so aufgebaut wie die Auspufftöpfe an einem Rennauto, ihre Mägen liegen neben- und ineinander, aber nicht hintereinander. Aufstoßen muss das arme Tier auch noch. Das grundlegende Missverständnis besteht darin, zu glauben, ausgerechnet die Bloggerei entwickle den Ehrgeiz, einen bloßen 'Metadiskurs zu führen', also 'über das Reden anderer zu reden' und 'wiederzukäuen'. Während der tapfere Journalist wiederum sich mit dem Laptop-Gewehr durch den Dschungel der unbekannten Nachrichtenlage schleicht und unentwegt Unerhörtes nach Hause trägt. Das ist Wildwest-Romantik statt Faktizität ...


Mythen der Neuzeit: Recherchierende Redakteure.

Schlage ich meine Lokalzeitung auf, dann steht vor fast jedem Artikel 'dpa', wenn es hochkommt 'eb/dpa', wobei 'eb' für 'eigener Bericht' steht, da hat also dann die Redaktion kollektiv noch dran herumgefingert. Aber schon hier wurde nur 'über das Reden anderer geredet', bzw. alles schlicht nur der dpa 'nachgeplappert'. Presseerklärungen anderer Provenienz und schnittchenreiche Pressekonferenzen sind das Schwarzbrot des Redakteurs: und daraus folgt wiederum nur 'Reden über das Reden anderer'. Ebenso im 'embedded journalism' bei Auslandskriegseinsätzen: Die Journalisten werden durch genehme Gegenden gerollt und abends im Zelt werden ihnen die grandiosen Siege des 'Embedders' vorgespielt. Die Folge für den Zeitungsleser: 'Reden über das Reden anderer'.

Kurzum: Die wichtigsten Werkzeuge des Journalisten sind der Laptop und das Telefonbuch mit möglichst vielen Bekannten, Experten und anderen Gesprächspartnern darin, deren Statements seinen Artikel etwas aufpeppen können. Geschieht das, spricht der Journalismus gern von 'Eigenrecherche' (manchmal kommt sogar ein Archivbesuch hinzu). Letztlich ist aber auch dies alles wiederum nur 'Reden über das Reden anderer'. Der 'gute Journalist' unterscheidet sich vom 'schlechten' also nicht durch 'Terrierhaftigkeit' und 'Expeditionslust', sondern durch 'Gedanklichkeit' und 'Sprachlichkeit'. Dann kann er zwischen den Zeilen einer dürren Presseerklärung nämlich noch etwas herauslesen oder einen Aspekt in seinen Artikel hineinschreiben, der dem Larifari-Journalisten nie im Leben auffiele. (Die schlimmsten Folgen des journalistischen Berufs sind übrigens Krampfadern vom vielen Herumstehen und -sitzen).

Mit anderen Worten: Der Journalismus selbst ist schon ein einziger Meta-Diskurs. In den Medien wird vor allem über das Reden anderer geredet: Über Konferenzen, Tagungen, Ereignisse, Abstimmungen usw. Und wenn doch das 'eigene Erleben' mal eine Rolle spielen soll, wie im Reisejournalismus, dann dürfen wir sicher sein, dass jedes Sprachklischee wilde Parties feiert: die 'Traumstrände' sind natürlich 'weiß' und 'palmengesäumt', jede Hotelanlage ist 'idyllisch gelegen' und jede Klippe 'schroff' und 'malerisch'. Die angeblich eigene Anschauung wird auch wieder nur 'aus der Erinnerung an das Reden anderer' bezogen: 'Opulente Bilder zeigen die Schönheit dieser einzigartigen europäischen Kulturlandschaft'.

Die Bloggerei demgegenüber ist oft 'ein Reden über diesen Metadiskurs', ein 'Meta-Meta-Diskurs', wenn ihr so wollt. Wir reden oft darüber, wie andere über das Gerede dritter reden. Das allerdings ist neu für unsere 'Medienschaffenden', dass ihre 'Öffentlichkeit', die sie ja sprachlich mit ihrem Getippsel erzeugen und aufrechterhalten, von anderen beschnüffelt und untersucht wird ...

Zeitgen. Bild: Lewis & Clark-Expedition / Public Domain, wikipedia.org

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Gratuliere zu diesem deinem sicherlich längsten bzw. wortreichsten Text. ;)

Nur, die Betroffenen werden es nicht hören bzw. wahrhaben wollen. Nennt man das nicht auch "sozialer Autismus"?
 
Also, das ist ja wohl die Höhe! eine billige Propagandalüge meilenweit an der Realität vorbei grösstenteils erstunken und erlogen zeugt von mangelndem Einblick in das Berufsbild der Journalisten du hast doch keine Ahnung, du Arsch äh äh äh äh... Deine Mutter!
 
Was willst du machen, neun Monate waren um - es musste raus.
 
Mag ja sein das in den Blogs alles wiedergekäut wird bis zum Erbrechen, um es dann aufzuschlabbern und erneut durchzukauen.

Allerdings habe ich das Gefühl, dass nicht wenige Journalisten, wenn sie sich denn überhaupt auf die Weide begeben, sich ausschließlich mit dem beschäftigen, was bei der Kuh hinten raus kommt und zu Boden fällt.
Klar, dass stinkt. Das ist eine Masse in der niemand freiwillig für längere zeit seine Nase steckt. Aber sie tun es mitunter. Auch eine Art von Graswurzeljournalismus.
 
Oder sie werden zu 'Headhuntern' mit einem völlig verrutschten Fokus. Nicht nur mich interessiert zum Beispiel weniger, ob in Sachsen der Buttolo nun zurücktritt oder nicht, der hatte mit dem ganzen Sumpf noch am wenigsten zu tun. Mich interessiert vielmehr das, was dort wohl in den Akten steht. Aber liest man davon vielleicht mal eine interessante Fortsetzungsserie? ... Siehste!
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