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22
Juni
Das Bildnis des Urian Grey
Den ganzen Tag habe ich heute schon den "Moralischen". Fürchterlich. Vor das Tun schiebt sich ständig irgendwelches Nachdenken, über mich, über andere, über Vergangenes. Jeder Gedanke an Produktivität kommt an solchen Tagen schon mit dicken Spinnweben auf die Welt.

So schien es mir, als ob die Leute, die ich früher kannte, im Wesentlichen damit beschäftigt wären, sich ihre Biographie als Gefängnis auszugestalten; vor dem Leben einfach hinter Schloss und Riegel geflohen. Gelobt sei der Karrierezwang der Verhältnisse, und der Chef ist ihr Muezzin. Diese Mauern haben sie sich auch noch selbst gebaut - und sie wähnen sich trotzdem frei in gesiebter Luft, nur weil es zweimal im Jahr nach Costa Rica oder auf die Malediven geht. Als ob Freiheit eine Frage der Reisekilometer wäre. Dass sie ganz pünktlich und wie an der Schnur gezogen wieder zurück sein müssen, das merken sie noch nicht einmal.

Konsequenter sind da doch die Leute, die es gleich über Leichen ins Kittchen zieht. Finde ich jedenfalls. Vermutlich aber nur heute ...


Great Depression

I'm gonna go
where there's no depression ...
(Carter Family)

 
 
Finsternishändler - on the road
Mitten im schönsten Schreib-Flow klingelte es: "Du heilige Scheiße! Zwei Seelentröster. Labersack-Alarm."

Die rasierwasserduftenden Schlipsträger - beide sahen so uncool aus wie die Abteilungsleiter bei "Rohre, Flansche, Fittings" - behaupteten unverfroren, sie kämen im göttlichen Auftrag von der Kirche der Heiligen letzten Tage - oder so ähnlich. Ob ich denn auch brav an Gott glaube?

Ich verkündete ihnen daraufhin in meinem allerschönsten Prophetenton, dass ich sie lehren würde, an MICH zu glauben, wenn sie noch länger ehrliche Menschen von der Arbeit abhalten.

Vermutlich betrachten die mich jetzt als ein ganz räudiges Schaf ...

Kick Ass

 
 
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