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28
Juni
Die Literaturschulen ...
.... mussten auch mal was auf die Glocke kriegen. Fand ich jedenfalls drüben in der 'medienlese'.

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Prima Idee! Als nächstes könntest du dir die Websites von Schörnalistenschulen vornehmen.
 
Welche hättest du denn gern?
 
Roth und Tucholsky
Zunächst herzlichen Dank Dank für die würdigenden Worte in der Medienlese.

Von unterwegs, deshalb nur skizziert (gerne bei Gelegenheit mehr):

Beim Vergleich Roth und Tucholsky muß ich widersprechen, zumindest was die Frankreich-Berichterstattung betrifft. Beide waren ja Mitte der zwanziger Jahre dort Korrespondenten. Von hier aus hat Roth ein viel zu düsteres Bild nach Deutschland gekabelt, während Tucholsky viel näher an der Wirklichkeit war. Es muß die Einsamkeit im fremden Land und die vermutlich (auch) damit verbundene Depression gewesen sein, die Sehnsucht nach einer seltsam anmutenden Religiosität, die Roth den Federkiel hat aus dem Blatt laufen lassen. Avignon beispielsweise hat der Jude Roth derart holzschnittartig präprokatholisch gefeiert, daß einem diese Gottvater-Emphase heute noch erschaudern lassen möchte: eine Expression wie der Palais des Papes selbst. Und sein verzückter Lauraismus war von pygmalionischem (und auch damals schon historisch fragwürdigem) Ausmaß, auch einer Marien-Verehrung gleich.

Über Avignon hat Tucholsky sich nicht so ausführlich geäußert. Aber etwas weiter südlich sind beider Eindrücke am besten vergleichbar:

Das Marseille, von dem Roth schreibt, stinkt und ist gewalttätig («Über allem lag eine makabre Stimmung.»). Selbst wenn er von den weißen Häusern in seinen geliebten ‹Weißen Städten› schreibt, spürt man, hier in Marseille, daß ihm die Stadt nicht ganz geheuer ist. Ich habe dabei das Gefühl der dräuenden Apokalypse, während Tucholsky Ansichten gezeichnet hat, die teilweise heute noch zu besichtigen sind. Roth geht mit gesenktem Kopf durch die Stadt: «Ich habe hier die Grenzenlosigkeit des Horizonts erwartet, die blaueste Bläue des Meeres und Salz und Sonne.» Tucholsky hat den Kopf oben — und sieht es: «Da liegt ganz Marseille — viel größer, als man es sich von einer Stadt mit einer halben Million Einwohner gedacht hat; über die Hügel verstreut, von Baumgruppen unterbrochen, klettern die Häuser vom Rand des Meeres bis auf die entfernten Berge.»

Es mag daran gelegen haben, daß Roth nie heimisch geworden ist in Frankreich, während Tucholsky das Land geliebt hat und diese Liebe auch erwidert wurde. Tucholsky hat sich deshalb wohl auch eindeutig mehr auf die Franzosen eingelassen als Roth, dessen Mentalität das wohl untersagt hat. Roth hat sich Tannen gewünscht in die Provence, Tucholsky liebte das vorhandene Licht ...

Auf jeden Fall entstammen die objektiveren (nicht nur leichteren) Frankreich-Schilderungen aus Tucholskys Feder.

Roths Erfahrungen sind nachzulesen in: Die weißen Städte, in: Ein Frankreich-Lesebuch, herausgegeben von Katharina Ochse, Köln 1999

Die von Tucholsky habe ich aus: Gesammelte Werke 1925 – 1926, Reinbek 1993
 
Die Kommentarfunktion drüben war irrtümlich geschlossen und sollte jetzt wieder geöffnet sein.

Der Vergleich eingangs im Text sagt ja nur, wer damals der Alphajournalist und der 'Darling' des Feuilletons war, nicht, wer 'besser' war. Joseph Roth verdiente (und versoff) bei der Frankfurter Zeitung wesentlich mehr an Zeilenhonorar, als der Kurt Tucholsky bei der 'popeligen' Weltbühne verdiente, weshalb der Theobald sich ja auch ständig in anderen Blättern tummelte. Mehr wollte ich mit dem Vergleich nicht sagen.

Der JR hatte natürlich nach dem Wahnsinn seiner Geliebten schwere depressive Phasen samt konservativer Läuterung, die ihn zuletzt sogar dem Schuschnigg und dem Alkohol in die Arme trieben. Für Juden ist wohl Irrsinn eine 'Schuld'. Kräftig hinzuerfunden, wie es ihm gerade passte, hat JR auch Zeit seines Lebens. Der Regisseur Géza von Cziffra hat über das habituelle 'Erdichten' seines Freundes JR wohl mal ein Buch voller Anekdoten geschrieben. Heimisch ist er - glaube ich - nirgends gewesen, außer in einem mythisierten Österreich, das so ja auch nur in seinem Kopf existierte. Und klar, er war ein Erzreaktionär - er selbst sprach vom 'Bolschewismus der Frommen', eine gute Formel für ihn, der überall Kreuze und Weihrauch durch seinen Absinth-Nebel sah.

Wenn ich ihn daher einen großen Schriftsteller nenne, dann nicht wegen seiner Fähigkeit, die Realität wie eine Fotoplatte 'abzubilden', das können Reisejournalisten viel besser, und natürlich ist sein Werk durch eine tiefreligiöse Haltung geprägt, die letztlich aus dem chassidischen Ostjudentum herstammt und sich im Zuge seines Alt-Österreich-Kults ins Katholische wendet. Die letzte Frage aber ist ja immer: Ist es gut geschrieben? Und da ist Joseph Roth 'begnadet', da kann Joseph Roths Stil, der immer das rechte Wort findet, was in seinem Fall doppeldeutig bleibt, allemal mit der luziden und detailverliebten Prosa eines 'Pyrenäenbuchs' und anderer Texte von KT mithalten, obwohl doch beide unvergleichlich sind.

Dass Frankreich für Joseph Roth nie wirklich Heimat wurde, ist klar. 'Wirklich' kannte er da nur die Hotels und Bistros. Trotzdem liegt sein Marseille-Bild, will mir scheinen, heute gar nicht so weit von einem Jean-Claude Izzo entfernt. Der kannte sich am Chateau d'If nun 'wirklich ' aus ...

Nebenbei: Von Tucholsky ist die große Werkausgabe bei Rowohlt fast schon Pflicht für jeden, der die Sprache liebt ....
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