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18
September
Und wenn wir nichts zu sagen haben ...
... dann basteln wir uns eben eine Sensation.
Es ist nämlich Montagmorgen: Das erste Red Bull wurde geköpft und die PR-Katjushas der Unternehmens-Presseabteilungen ballern aus allen Rohren: "Xenomics kündigt Teilnahme an Mailänder Pharma Finance 2006 Conference an." Donnerwetter! Wer hätte das gedacht? Ich gebe hiermit meine Teilnahme am heutigen 2. Bremer Webmontag bekannt. "There are castles made of sand" (J. Hendrix) - Hier ein PR-Hotshop mit seinen strategischen Instrumenten
Wahlmenu:
NPD: Weniger Stimmen als befürchtet. Niemand soll jetzt von "armen Verlierern" reden. Arbeitslosigkeit ist keine Entschuldigung für Schweinkram: Wer Nazi wählt, ist selber einer. Punkt.
SPD: Der Partei ist es erfolgreich gelungen, der Union in der Koalition den schwarzen Fleck in die Hand zu drücken (vgl. Robert L. Stevenson). CDU: Merkeldämmerung. Der "unbeirrte Reformkurs" führt vor die Wand. In Schweden gewinnen die Konservativen mit einem sozialdemokratischen Programm. Union trinkt deshalb bald Rüttgers Club. Nebenbei: Es wurde ja auch auf Seiten des pechschwarzen Wirtschaftsflügels ein wenig viel gelogen: Steuererleichterungen, Reformen der Sozialsysteme, Lockerungen beim Kündigungsschutz - alles Mögliche sollte Arbeit schaffen. Was haben diese Neoliberalen hinterher eingelöst von ihren Versprechen? Weniger als nüscht - Bringschuld verfehlt. Jetzt dreht sich eben der Wind. Der Wähler hat's angerichtet. FDP: Siegt sich zu Tode. Nachdem ihr jetzt die Union ideologisch von der Leine geht, ist der Guido mit seinen Zahnwälten ganz allein zu Haus in seinem Neoliberallala. Grün: Rotgrün ist wieder sexy. Claudia Roth noch immer nicht. Linkspartei: In Berlin wirkt Oskar Lafontaine gewaltig, in MVP der Karsten Dörre. Mit erwartbarem Resultat. WASG: Das trotzkistische Projekt war und ist eine Totgeburt. Selbst mit "Sexy Lucy" an der Spitze.
Das Wort zum Montag
Anton Pawlowitsch Tschechow, nach seinem Besuch auf der zaristischen Sträflingsinsel Sachalin, spricht über seine Auffassung vom vielumstrittenen "realistischen Standpunkt", der möglichst ideologiefern weder den Autor noch den Leidenden romantisieren darf:
"Ich schrieb lange daran und fühlte lange Zeit, daß ich nicht auf dem richtigen Weg bin, bis ich schließlich erfasste, worin das Unwahre lag. Es war, als wollte ich mit meinem 'Sachalin' jemanden belehren und als verberge ich zugleich etwas und hielte mich zurück. Aber sobald ich anfing darzustellen, als was für ein Sonderling ich mich auf Sachalin fühlte und was für Schweine es dort gibt, wurde mir leicht und die Arbeit ging von der Hand." Anton Tschechow Mit publizistischem Erfolg übrigens: Der Zar schickte eine Kommission nach Sachalin, und das Strafrecht wurde geändert. Ein tränenseliges Buch ohne die "Tschechow'sche Eiseskälte" hätte das wohl kaum erreicht.
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