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01
November
Werbung, Marketing, Public Relations?
Hier in den Blogs scheint mir bei der Diskussion dieser drei Begriffe oft einiges durcheinander zu gehen:

Vroni von der Agentur Missing Link versucht bspw. in der Blogbar (#30), zwischen den Kommunikationsbranchen dort Grenzen zu ziehen, wo meines Erachtens keine verlaufen - auf dem Gebiet des Stils nämlich:

"Das ist keine PR. Das ist Werbe-Mist. Ordentliche PR-Texte haben keine emotionalen Adjektive, sind kein subjektiver Reiseschmonzens. Mit korrekter PR hat das überbaupt nichts zu tun. Es ist Werbung. Ich wünsche mir mehr Trennschärfe. Ordentliche PR-Agenturen pflegen und verkünden sie brav in ihrer Philosophie, Wilde und Partner schmeißt sie durcheinander. Das liegt daran, dass sie auch Marketing machen."

Gegen das Durcheinander in Werbung und Marketing, gegen das große emotionale Bähbäh stünde ihr PR-Ideal, wo Inhalt als Form und Form als Inhalt" verwirklicht seien, und damit - mittels eines sachgerechten, emotionsfreien, informativen Stils nämlich - zugleich ein großes ästhetisches Qualitätsideal.


Werbung? PR? Marketing?

Explizit gegen diese Position spricht im amardi-blog ein erfahrener Marketing-Hengst, der mit seinem Pragmatismus der Vroni mal eben die Luft aus den Reifen lässt:

"Der Ansatz «PR sind Fakten und will damit Akzeptanz erreichen, Werbung sind bunte Geschichten und will damit verkaufen» sollte passen, tut es aber nicht.

Wir könnten wie folgt abgrenzen: Der Zielgruppenansatz: Werbung richtet sich an eine bestimmte Zielgruppe mit der Zielsetzung, den Absatz (nicht nur kurzfristig) zu steigern, kurz: Bekanntheit, Information, Emotion (hm), Verkauf. PR (= Public Relations) wendet sich zum Zwecke der objektiven Information (hüstel - Korrektur: Generierung einer positiven Grundstimmung gegenüber dem Sender, wodurch die Steigerung der Kaufbereitschaft ausdrücklich nicht ausgeschlossen ist) an die Öffentlichkeit oder bestimmte Teile davon. Diese Mengen sind i.d.R. immer größer als die Zielgruppe einer Werbekampagne, weshalb ketzerisch behauptet werden könnte, dass Werbung eine Teilmenge von PR ist. ...

Eine Werbebotschaft richtet sich direkt an den potenziellen Käufer: Wir sind die Größten, kauf bitte unser Produkt. Bei PR sind Dritte (Multiplikatoren, Meinungsführer, Journalisten etc.) im Spiel, die die Botschaft verbreiten: Die sind die Größten, kauf doch deren Produkt. Der Witz: Trotz gleichlautender Botschaften wirkt Variante 2 glaubwürdiger, da die “Messages” durch einen vermeintlich objektiven Filter verbreitet werden, der sich “committed”.


So ähnlich sehe ich das allerdings auch:

Werbung richtet sich immer direkt und «unvermittelt» an den "Endverbraucher" - wie in der US-Wahlwerbung, wo der republikanische Senatskandidat tote Kinder, den Kopf von Ahmedinedschad, nordkoreanische Atombomben und seinen demokratischen Widersacher im Wahlspot wild durcheinander schneidet. Das ist klassische Werbung - und keine PR.

Macht aber der erzkonservative Kolumnist für seinen republikanischen Buddie das gleiche, was im obigen Wahlspot zu besichtigen war, macht also irgendein «US-Diekmann» den bösen demokratischen Kandidaten für tote Kinder, den Kopf von Ahmedinedschad und nordkoreanische Atombomben verantwortlich, dann sind dies Public Relations. Weil nämlich diese Form der Kommunikation sich über pseudo-objektive Meinungsmacher, "Gatekeeper" und Multiplikatoren indirekt an die Zielgruppe richtet, und nicht direkt an den "Konsumenten" oder "Wähler".

Über beidem thront immer das Interesse am Marketing, an der «Verkaufe», ob es nun um Shrimps geht oder um die Gesundheitsreform - auch wenn sich PR und Marketing in der organisatorischen Realität oft heftig um Einfluss und um ihren Anspruch auf «Stabsstellen» im Unternehmen beharken. Stilistisch aber gibt es zwischen Public Relations und Werbung keinerlei Unterschiede, abgesehen davon, dass sich die PR kommunikativ weniger Mühe geben müssen, weil der freundliche Journalist die stilistische Kärrnerarbeit in der Regel für sie miterledigt. So sehen Presseerklärungen dann ja auch aus.

Der Stil aber zeigt uns nur, welche Zielgruppe Werbung oder PR jeweils ins Auge gefasst haben, aber er zeigt uns nicht, ob es sich bei einem Text um Werbung oder PR handelt. (Nebenbei: Der Stil in Marketing, PR und Werbung ist unabhängig von Zielgruppe und jeweiliger Kommunikationsbranche meist ziemlich daneben. Auch das wäre ich bereit, zuzugeben)

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"... stünde ihr PR-Ideal, wo Inhalt als Form und Form als Inhalt" verwirklicht seien,...[...]"

Ähm, das nicht nicht "mein PR-Ideal" sondern das Ideal schlechthin im Bereich Design und Kunst. Pech für Chat, wohl fehlgelesen und nicht verstanden, hüstel.

Erklärung:
Jede Form (Linie, Farbe, Nichtfarbe, senkrechter, waagrechter Aufbau, etc.) trägt in sich eine Botschaft und jede Botschaft hat immer auch gleich die Form in sich (ob sie geröhrt, genuschelt, mit Feder geschrieben oder angeblich bewusst "nicht-gestaltet" ist, was nicht geht, denn sobald eine Botschaft sichtbar oder hörbar ist, ist sie sofort auch Gestalt).

Das ist ein wichtiger Hint gemeint gewesen für meine werbetreibenden Kunden, mehr Sensibilität aufzubringen, die oft nicht verstehen, warum denn ihr langer "ungestalter" Text in sich allein durch seine Länge bereits Gestalt ist und was Bestimmtes damit aussagt. Er wäre eine andere Gestalt und würde allein durch seine neue Länge bereits eine gewisse Botschaft mitteilen, wäre er kürzer, knapper.

Es ist auch ein wichtiger Hint für meine Kunden, die glauben, hier ein hübsches, beliebiges Bildchen und da eine nette Linie würde ihre aussagelose Werbebotschaft verbessern (tut es nicht, es irritiert im harmlosesten Fall, oder ist misleading im schlimmsten Fall).

Das gehört also eher in die Design-und Gestaltungs-Theorie und fließt nolens-volens auch in die Gestaltung von Werbung mit ein.

Mit meinem "PR-Ideal" hat das aber nichts zu tun. Da haben wir uns mist_verstanden

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Auch wenn der anerkannte "Marketinghengst" von amardi ("Hengst" sagt mir schon was, aber nix gescheites...) anderer Meinung über PR ist: Dass sie eh die gleichen Ziele hätte (verkaufen) und das im Vergleich zur Werbung lediglich indirekt tue und ansonsten gleich von der Form wäre, so hat er lediglich den Eindruck widergegeben, der einem Branchenfremden sich auftun muss. Sieht er doch das Geplänkel und Schöngerede um die Gesundheitsreform und gleichzeitig die lügnerischen Verbiegungen, die sich manche Pharma-Werbung in der Medical Tribune antut und setzt das gleich.

Ob diese Sicht auf "PR und Werbung tut gleich und ist daher gleich", eine gesund pragmatische Sichtweise ist oder eine Untugenden zementierende, lass ich mal dahingestellt. Ich persönlich sehe Letzteres, der Leser mag sich sein eigenes Urteil erlauben.

Als Idealist sehe ich mich allerdings nicht.
Zwischen PR und Werbung klaffen Welten, auch Stilwelten, sie sind nicht gleich.
PR will eine günstige öffentliche Meinung schaffen, auch bei den "Nichtzielgruppen" und tut wie Journaille (damit verkauft man aber noch keine einzige Socke, das klappt nicht, man macht nur Schönwetter), Werbung will verkaufen und tut wie ... Werbung: Kauf mich, ich bin deine Socke! Schau mich an, und schau was ich kann, ich bin dein Dienstleister!

Ganz andere Stile hat das zur Folge.

Zum Stil: Sogenannte Advertisals, die als Redaktion getarnt, dennoch geschaltete Werbeanzeigen sind, sind schlechter Stil und werden von guten Werbe-Agenturen schon lange nicht mehr gemacht. Es hat sich herausgestellt, dass diese Art Trojanerey einfach nicht funktioniert.

Trojanerey durch Humor und kreative Ansprache hat sich aber immer wieder bewährt und ist in sich gutartig. Und DAS... fehlt PR nun gänzlich. PR ist vollkommen humor- und designfrei, ob PR nun so tut, als ob es würbe oder ob es knochentrocken daherkommt. Daher bin ich froh, dass ich nur ein kleiner Designer und Dummwerber bin, kein merk- und humorbefreiter Pseudojournalist, der der Welt todlangweilige und pseudokorrekte Euphemismus-Fakten-Blasen serviert, ohne die anderen negativen Fakten auch zu nennen.
Werbung kann es sich sogar leisten, negative Fakten des Produkts offen aufzugreifen (Toyota hat das z.B. gemacht). Mit Humor geht das.

Schönes Allerheiligen noch!
 
Wie zwischen Hase und Igel komme ich mir in deinen Texten schon manchmal vor: Vorn (in deinem von mir zitierten Text) schreibt's du von «ordentlicher PR», die dies oder das nie machen würde, hier schreibst du, PR generell wären «vollkommen humor- und designfrei» und würden von «Pseudo-Journalisten» verfasst, die «ihre totlangweiligen und pseudokorrekten Euphemismus-Fakten Blasen» servieren. Letzteres trifft sich ja tendenziell mit meiner Ansicht, wonach die PR vor allem der Verbreitung von Halbwahrheit dienen. Nur passt es mit deinem Text vorn nun mal nicht zusammen.

«Stil» ist ein Begriff, den ich nie im Plural benutzen würde. Guter Stil zeichnet sich in meinen Augen immer dadurch aus, dass man ihn nicht bemerkt - wie gute Werbung und PR (ja, auch das!) ebenfalls. Sobald etwas laut, aufdringlich und türeintretend wird, dann haben wir's mit schlechtem Stil zu tun, es fehlt das Können, und prompt hört man das Wollen. Folglich ist das auch schlechte Werbung oder PR. Das, was der Mensch schlucken soll, das muss ihm runter gehen wie Öl. Er muss es gern tun - und nicht wider besseres Wissen.

Ich halte ferner meine Funktionsbetrachtung der einzelnen Bereiche nach wie vor für zielführender als feinsinnige Stilbetrachtungen. Werbung wendet sich direkt an Kunden, erfordert von den beteiligten Agenturen daher ein wenig mehr Kreativität und Können. Sie ist stilistisch damit meist auch besser. Public Relations betreiben im Grunde einen argumentativen «Schnittchen-Dienst», sie machen sich Medien (Verleger, Journalisten, Multiplikatoren, Testimonial-Figuren) durch alle möglichen Dienstleistungen gewogen und «gewinnen so ihr Ohr», manchmal gibt's auch Verträge. Auf die Kommunikation müssen sie daher keinen größeren Wert legen, höchstens beim «persönlichen Auftritt» und beim Small Talk. Das machen später die Schreibknechte in den Medien schon für sie. Insofern gibt es im PR-Bereich weniger «Sprachlichkeit» - oder Stil. Das Marketing letztlich hat so etwas überhaupt nicht mehr nötig - denn dort ist das Geld. Dort kauft man sich, was man braucht.

Ein Wort noch zu amardi: Ich mag den Menschen, weil er «kundenseitig» mitten drin steckt in der Maschine. Er kommentiert das, was die Dienstleister treiben mit einer gewissen «intern» entstandenen Bissigkeit, die mir gut gefällt. Auch wenn er manchmal ein wenig «codiert» daherredet.
 
"...schreibt's du von «ordentlicher PR», die dies oder das nie machen würde, hier schreibst du, PR generell wären «vollkommen humor- und designfrei» und würden von «Pseudo-Journalisten» verfasst,...[...]

O mei, jetzt spalten wir aber wirklich Haare.

Ordentliche PR ist die, die keine krummen Touren macht. Aus die Maus. Krumme Touren sind: so tun, als ob es echte Userberichte wären, nicht offenlegen, woher und von wem genau die Info kommt, was denn der Informant/Verkünder noch so alles treibt und woher er seine Brötchen bezieht, all das.

Dass PR humorfrei ist und sein muss - ob es nun die "ordentliche seriöse PR ist, oder die von gekauften unseriösen Möchtegern-Schreiberlingen verzapft - ist eben der deutliche Unterschied zur Werbung und kein Widerspruch. Und ist irgendwie logisch, denn sonst ist oder wirkt sie nicht 100 %ig seriös.

Mich irritiert sehr dein Schwarzweiß-Denken.

Zu "Stil".
Man kann gern in vollkommener Absolutheit behaupten, es gibt nur eine Wahrheit, die über allem schwebe, so wie es nur eine Stil geben darf, nämlich den richtigen, edlen, den man nicht bemerkt (als Qualitätsmerkmal).

Genauso gibt es aber viele Styles und Tonalities (wer wollte behaupten, welcher genau DER/DIE eine ist), genauso wie es viele Wahrheiten gibt - und nicht nur eine. Daher meine "Stile".

Immer diese haarspaltenden Nistgermanen!
Sei froh, dass ich nicht "Stiel" geschreibselt habe. :-)

Bassdscho!
 
Warum soll es keine PR mit Humor geben? Witz und Seriosität sind kein semantisches Gegensatzpaar - nur in den Augen von Buchhaltertypen, die zum Lachen in den Keller gehen.

Was ich «Normal-PR» nenne, wäre bei dir also «ordentliche PR». Die andere wäre jene "jenseits von gut und böse": «Schwarze PR» nannten wir die früher mal, historisch Gebildete sprachen damals auch von «Goebbels-Methoden» und dachten an Gleiwitz. Alle sonntäglich gestimmten PR-Verbände aber versicherten uns mit großem Indianerehrenwort, so etwas wäre bei ihnen «Ähbäh!» und käme nie vor. Und wenn, dann nur höchst ausnahmsweise ...

;-)
blogoscoop