letzte Kommentare / Das mit der "Querfront"... kristof / Ich hatte nach dem... chat atkins / Huhu, Herr Chat.... kristof | |
01
August
Schlussverkauf auf der Resterampe
Weil ich's gerade in einem verstaubten Winkel meiner Festplatte entdeckt habe. Muss wohl so um 1990 herum gewesen sein:
Das Märchen von den Gedanken Es war einmal eine brave Frau, die lebte mit Hund und Mann, mit Töpfen und Tassen in einer kleinen, gemütlichen Hütte hoch über den Wassern der Weser. Zeitlebens verdiente sie sich ihren Unterhalt auf ehrliche Art und Weise, wenn auch oft über sie getuschelt wurde in den verräucherten Stuben ringsum, abends, wenn die Lichter hinter den verhängten Fenstern brannten. Das Tuscheln hatte einen Grund: Paula Pinsel lebte nämlich davon, anderen Menschen die Gedanken zu bemalen. Gedanken sind, wenn sie in einem durchschnittlich dumpfen Kopf zu dämmern beginnen, zunächst schwarzweiß, sehr nebelhaft und überhaupt nicht bunt. Wie graue Spaghetti zwängen sie sich aus schwitzenden Gehirnzellen und bilden dann ein Gewusel, so wie die Krikelkrakel-Zeichnung eines ABC-Schützen. "Mein Chef ist doof und ich bin schlau", weiß der eine, "Männer sind alle Verbrecher" die andere. Die meisten Menschen fühlen sich so richtig pudelwohl erst in einer ganz schlicht eingerichteten inneren Welt, die zwischen zwei Dingen immer nur einen einzigen Unterschied sieht. Mehr zu wissen wäre auch Arbeit - und davon hat man tagsüber schon genug. Das, was in ihrem Kopf geschieht, Gedanken zu nennen, kommt den Menschen selten in den Sinn. Sie sprechen von Tatsachen und Wahrheiten und glauben, ihre Gedanken wären alle da draußen zu finden und wirklich. Sie glauben so fest daran wie an die Scheibe Holländer Käse auf ihrem Frühstücksbrot: Daß der Staat ohne Gesetze nicht existieren kann, sogar daran, daß Gesetze wirklich „sind“. Einige sind überzeugt, daß alle Neger stinken, daß die Polen faul sind und die Deutschen fleißig. Was wäre es aber auch für eine überaus große Arbeit, wenn man dies alles besser wissen wollte? Besserwisser sind daher unter Menschen überhaupt nicht beliebt. Auch in unserem Nordreich an den Ufern der Weser gab es nur ganz wenige Besserwisser. Kam doch einmal solch ein Unglückswurm auf die Welt, so blieb er hier zeitlebens allein. Erwachsen geworden, wanderte er eben aus. Deshalb also war Bremerhaven ein überaus glücklicher Flecken Erde. Der alte König Uwe, genannt Beckmeier, kümmerte sich wenig um die Ausbildung seiner Landeskinder. Hauptsache, sie zogen den Hut bei seinem Anblick. Und die Menschen selbst wollten ihre Wirklichkeiten nicht verlieren. Wenn die nur aus Gedanken bestünden, woran sollte man dann glauben? Niemand weiß ja auch so recht, was Gedanken wirklich sind: Sind es Wörter, sind es Bilder - oder ist es bloß Gefühl, gehüllt in Fetzen aus Ich-weiß-nicht-was. Eins aber ist sicher: An den meisten Menschen in Bremerhaven und anderswo huschten Gedanken nur so vorbei. Das sagte „Wusch!“, man schüttelte kurz den Kopf und machte weiter im Trott. Darüber waren die Menschen auch froh, denn die gedankliche Belästigung war nach dem Anfall gleich wieder vorbei und sie konnten ungestört ihre Arbeit aufnehmen. Gelegentlich aber kam es vor, daß doch einmal ein Geistesblitz in einem Hirnkasten zündete - unter lauter uraltem Plunder. Dort, wo der Gedanke Feuer schlug, hatten diese Menschen nun schrecklich leere und verbrannte Stellen. In vielen Punkten waren sie richtiggehend realitätsblind geworden. Sie gingen dann zu Mamsell Paula Pinsel und baten sie, daß sie ihnen die fehlenden Gedanken ausmalen möge. Der Paula Pinsel aber war nicht zu trauen. Denn sie faszinierten nur besonders schöne oder interessante Gedanken. Deshalb malte sie den Dorfbewohnern von Bremerhaven oft Gedanken in den Kopf, die sie ohne ihre Kunst nie gehabt hätten. Kontrollieren konnten die arglosen Opfer das ja nicht, weil niemand einen Gedanken wissen kann, den er nicht mehr hat. Aber die Nachbarn machte dies argwöhnisch. Sie fanden diese neugemalten Gedanken merkwürdig und die Ansichten des Frischrenovierten ganz anders als früher, viel zu bunt. Sie sagten, die Paula sei durch den Umgang mit so vielen verschiedenen Gedanken nicht mehr ganz richtig im Kopf, sie könne überdies nicht haushalten und werde sicher noch einmal der Gemeinde zur Last fallen. (... geht noch weiter ... zeig ich aber niemandem ...)
|