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09
August
Vergleichen - aber richtig
Vergleiche sind ein zweischneidiges Schwert. Wenn sie gut sind, müssen sie:
a) ungewohnte Einsichten bieten b) genügend Parallelen aufweisen c) und dem Zuhörer das Thema nahebringen. Verschieben wir also einfach mal den Libanonkrieg auf deutschen Boden. Skinheads mit Katjushas Bekanntlich handelt es sich - nach Ansicht einiger Revanchisten und Immobilienspekulanten - bei den Gebieten östlich von Oder und Neisse um "urdeutsches Territorium", das von den Polen widerrechtlich "besetzt" ist. Zweitens sind in der Region um die sächsischen Barockschlösschen die Neonazis bei den Bewohnern erstaunlich beliebt. Deren Kampforganisation wiederum, das sind die Skinheads Sächsische Schweiz (SSS), die in ihrer runenhaften Intelligenz ultrafundamentalistisch an eine germanische Herrenreligion glauben, die ihnen ein obdachloser Prophet aus dem Österreichischen verkündet haben soll. Drittens - und nur das ist von all dem jetzt Fiktion - hat die Bundesregierung die Bundeswehr aus Sachsen komplett abgezogen, weil sie sonst die Gefahr eines Bürgerkriegs befürchtet und weil die Bundeswehr angeblich zu schwach wäre, gegen die Skinheads vorzugehen. Jedenfalls sagt unsere Regierung das, wenn internationale Organisationen an sie herantreten - und sie nimmt prompt auch noch zwei sächsische Skinheads als Minister in die Regierungsmannschaft auf. Fazit: Die Skinhead-Milizen haben Wenn die Neisse der Litani wäre Lange Zeit feuern diese Milizen, die im arbeitslosen Osten viel Zulauf finden, einmal wöchentlich eine ihrer Katjushas in ungefährer Richtung auf Gut - alle Vergleiche hinken. Aber der hinkt doch erstaunlich wenig ...
damiang
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Ja und Nein
Find ich äußerst erhellend! und hinkt wahrlich nur an ein paar stellen. ausser, dass du vergessen hast, dass berlin-lichtenberg flächenbombadiert wird, da ja dort die parteizentrale steht. natürlich müssen die flughäfen frankfurt/oder, berlin und münchen bombardiert werden. dann wird eine seeblockade gegen alle deutschen häfen aufgezogen, die großen autobahnen-achsen zerbombt. elektrizitätswerke und wärmekraftwerke zerstört. die bevölkerung wird zur flucht aufgerufen und 20 millionen menschen sind auf der flucht. 30000 zivilisten fallen den bombardements zu opfer. humanitäre hilfe kann das land nicht mehr erreichen. die charite in berlin schliesst, weil sie keine versorgung mehr erhält. und, und, und. naja. aber trotzdem stimmts irgend wie. denn schliesslich wird ja auch dein haus zerbombt, als du gerade eine flammende rede gegen die sss schreibst.
aber noch ein literaturtip: Martin Riesebrodt: Die Rückkehr der Religionen - eine Analyse des religiösen Fundamentalismus, der nicht durch die Totalitarismusforschung verzerrt wird. Ansonsten finde ich Deinen Vergleich sehr gut. Ist bloss die Frage, warum die UN die Shebaa-Farms als besetztes Gebiet führt? Und warum hält Polen bitte deutsche Staatsbürger seit Jahrzehnten ohne Verfahren gefangen? Trotzdem: Finde deinen Vergleich sehr erhellend und lustig.
chat atkins
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Yep - und diese ganze Schweinerei nur wegen ein paar bekloppter Fleischmützen aus der Sächsischen Schweiz.
Aber, sag' doch mal: Das mit der libanesischen Armee ist doch seltsam, oder? 72.000 Mann mit Panzern, Artillerie, Flugzeugen und dem ganzen Arsenal, die sich gegen den Aggressor stellen könnten, der in ihr Land einmarschiert - aber keiner rührt sich.
damiang
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Aggressor?
Nun ist ja nicht geklärt, wer der aggressor überhaupt ist. meine persönliche meinung ist, dass in diesem konflikt gar kein aggressor mehr auszumachen ist. isoliert gesehen, war es die hisbullah, die der aggressor war. und die libanesische regierung distanzierte sich von dieser aktion. ergo: formal ist der libanon immer noch im waffenstillstand mit israel.
die libanesische armee hat keine kampfflugzeuge. die luftwaffe besteht aus 6 ami-choppern aus vietnam. wie gesagt, die Armee ist vielleicht 20000 mann stark. da es keine allg. wehrpflicht gibt, war die armee stets eher ein prestigeobjekt, eine paradearmee. im bürgerkrieg "neutral" und heute eher als versorgungsleistung gedacht. ich bin zwar zum glück kein militärexperte, aber chatham house hat die artillerie mit 14 geschützen und 60 schützenpanzern beziffert. ausserdem: konkordanzdemokratie! ein eingriff gegen die eigene bevölkerung würde dazuführen, dass ein erneuter bürgerkrieg ausbricht. Und: wie du in deinem vergleich richtig festgestellt hast, ist natürlich der libanon kurzfristig von einem problem befreit. und ich finde es immer wieder lustig, wenn israelische freunde mir das als argument hinhauen: we are doing the world's job. natürlich sind die anderen konfessionen im libanon und auch die autoritären-sunnitischen regime im nahen osten nicht an einer starken schiitischen hisbollah interessiert, weil sie fürchten, dass ihre schiitische opposition sich ebenfalls erhebt. doch hätte es andere möglichkeiten gegeben. zb den identitätswandel der hisbollah zu unterstützen.wie gesagt: auf der künstlerseite unter politische diskurse. aber falls du anregungen hast, wie man eine protestaktion gestalten könnte, egal wie, würde ich mich noch mehr freuen.
chat atkins
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Das mit dem Aggressor stimmt natürlich - man müsste fairerweise sogar bis zu den Römern und der Zerstörung des Tempels zurückgehen - und vom Rechtsnachfolger Berlusconi Ausgleichszahlungen fordern.
Die "72.000 Mann", das sind taz-Angaben - die fängt üblicherweise keine Fliegen. Vielleicht ist das der Unterschied zwischen aktueller Stärke und derjenigen mit Reservisten. Auch die Hisbullah ist natürlich wiederum nur Manövriermasse - und Syrien würde es mit ihnen so machen, wie es die Baathisten schon mal mit ein paar Tausend Muslimbrüdern gemacht haben: Im Zweifel mackelt deren Geheimdienst die eben alle ab. Die Jordanier sind übrigens mal ähnlich gegen die Fatah vorgegangen. Aus lauter Angst vor dem Bürgerkrieg aber einer Terrortruppe große Teile seines souveränen Staates einfach zu überlassen, das ist kaum das Gelbe vom Ei. Manchmal ist ein Bürgerkrieg eben unvermeidlich - siehe Frankreich 1791, England unter Cromwell, amerikanische Sezessionskriege usw. Das Problem ist wohl, dass im Nahen Osten derzeit eine schiitische Großmacht neu entsteht, weil die Amerikaner in ihrer ideologischen Verblendung alle natürlichen Gegner der Ahmedinedschads hinweggebombt haben. Der Irak und Afghanistan sind längst gut iranisch, und damit selbstmörderisch veranlagt - denn dafür kommt man ja per Express ins Paradies. Wer also den Mullahs ihren Bullshit glaubt ... Ich sehe aber nur, was ich sehe - und darüber rede ich. Protestieren tue ich in dem Zusammenhang höchstens noch pauschal gegen den gesamten nahen und mittleren Osten, ob muslimisch, jüdisch, christlich - und gegen die ideologisch vertrottelte amerikanische Regierung obendrein.
damiang
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Bürgerkrieg...
...führt nicht zwangsläufig zur Revolution. Da helfen die bürgerlichen Revolutionen leider nicht als Paradigma. Und ich glaube, dass die Furcht vor einem Bürgerkrieg, der über Jahrzehnte den Libanon verwüstete, durchaus nachvollziehbar ist. Tut mir leid, aber da sind mir ein paar Fundis lieber. Das Problem ist, dass sich wenige im Libanon auskennen und die regionalpolitische, geostrategische und innergesellschaftliche Dimensionen in diesem Konflikt immer hin und her geschmissen werden. Schliesslich gab es ja im letzten Jahr eine "Zedern-Revolution" im Libanon, die vielleicht nicht das System des Konfessionalismus revolutionierte, allerdings wenigstens einen pazifistischen Hauch anhängig hatte und Syrien (mit dem OK der USA) vertrieb. Literaturtip - Thomas Friedman: von beirut nach jerusalem. äußerst plastisches Porträt des libanesischen Bürgerkriegs mit vielen absurden Anekdoten.
chat atkins
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Naja, mit Hilfe der Hisbollah bringt sich Syrien ja gerade wieder ins Spiel - und es macht aus dem Libanon wieder seinen gewohnten Satellitenstaat mit gelbbeflaggter Privatarmee. Die USA werden noch ganz schön was oben drauflegen müssen, bevor Syrien die Hisbollah fallen lässt. Aber naja - anderswo unterstützen die Amerikaner auch Bananenrepubliken, warum nicht auch mal die Firma Assad & Co. ? Immerhin unterdrücken die alle Mullahs nach Kräften.
Allgemein aber ist der Israel- und der Palästinenakonflikt für alle despotischen arabischen Regimes ein wahrer Glücksfall. Die könnten nicht überleben, wenn sie diese willkommene Ablenkung nicht hätten: An allem ist angeblich nur Tel Aviv schuld, nie man selbst. Wie praktisch! Und da man keine Bildungseinrichtungen schafft, bleibt die Bevölkerung auch doof genug, um das zu glauben. |