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10
August
Der Geflügelschlachthof in Wietze ...
... der Unternehmensgruppe Rothkötter wird jetzt also gebaut, allem gesunden Menschenverstand zum Trotz. Zumindest hat heute morgen die Räumung des Bauareals durch die Polizei begonnen, damit die Bagger rollen können für das gigantomane 'Modellprojekt'.

Wietze bei Celle liegt nur knapp 100 km von jenem Ort entfernt, an dem dieser Text gerade entsteht. Auch hier könnten also einige jener 100 Hähnchenmastbetriebe gebaut werden, die das geplante Schlachtmonster braucht, um ausgelastet zu sein. Einen längeren Transport als 100 km würden die geschwächten Tierchen kaum mehr überstehen. Knapp eine halbe Million Hähnchen sollen in Wietze täglich in Chicken McNuggets oder andere Fresspampe verwandelt werden. Jeder dieser 100 Zulieferbetriebe müsste also mehrmals im Jahr knapp 40.000 Hähnchen schlachtreif füttern, um sie dann Richtung Celle zu verfrachten. Das Risiko - Seuchen, Hitzschlag etc. - trägt natürlich der Bauer als 'freier Sub-Unternehmer' selbst, wobei er an einem fettgemachten Hähnchen dann - nach Abzug seiner Kosten - noch satte 1,5 Euro-Cent verdienen darf oder 600 Euro an jeder Lieferung - aber nur wenn's gut läuft. So verkünden es uns jedenfalls die Latrinenparolen hier im Dorf.


wikipedia: Public Domain

Die Begeisterung unter den Heidebauern ist deshalb - und so weit ich das hier sehe auch flächendeckend - nicht allzu groß, obwohl es sich doch sonst um materiell eingestellte Menschen mit einer unsentimentalen Einstellung zum 'Viehzeug' handelt. Bei einer absehbaren 'Krüppelzucht' aber machen die meisten nicht mehr mit: "Am Schlachthof wird sichtbar, dass die Knochen der Tiere aufgrund des hohen Gewichtes verbogen sind. Fußballendermatitis, Herz-Kreislaufschäden, Beinschwäche treten sehr häufig auf, zum Teil sogar die überaus schmerzhaften Brustblasen. Die Hitze macht den Tieren sehr zu schaffen, weil die Ställe "zuwachsen", wie man in der Branche sagt. Die Lüftung kann dann nicht mehr effektiv wirken. Ein Teil der Tiere verdurstet gar, weil die Nippeltränken, der Beinschwäche wegen, nicht mehr erreicht werden können." Vor allem wegen solcher Folgen wird wohl die EU demnächst die Gewinne der Hühnermäster per Dekret noch weiter schmälern.

Auch bäuerliche Interessenorganisationen beziehen eindeutig Stellung: ""Nach Einschätzung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) gerät das Schlachthofprojekt des Geflügelkonzerns Rothkötter in Wietze bei Celle ins Wanken. Gründe dafür seine zunehmende Skepsis landwirtschaftlicher Interessenten, eine deutlich absehbare Überproduktion und massiver Widerstand von mehr als 20 regionalen Bürgerinitiatitiven." Um ein Jahr hat Rothkötter den Produktionsbeginn jetzt verschoben, wohl wegen mangelndem Zuspruchs zu seinem 'Geschäftsmodell'.

Wozu also das Ganze? Es ist ja nicht so, dass wir an einem Mangel an Hühnerfleisch litten, es gibt "dramatisch anwachsende Überkapazitäten von Schlachtereien und Stallanlagen in der Hähnchenbranche". Der Markt ist also schon völlig übersättigt, die Preise auf jedem Wochenmarkt sind tief im Keller, sogar Kartoffeln sind bald teurer als Hähnchenkeulen. Die 'Nachfrage' der Konsumenten nach einem weiteren industriellen Hühnerhenker existiert folglich nicht. Was ist es dann?

Vor allem wohl dies: In Deutschland liefern sich einige große Geflügelexekutoren und Großschlachter einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb - darunter zum Beispiel Wesjohann, Stolle und Rothkötter. Es ginge dann darum, den jeweils anderen mit Hilfe von Überkapazitäten aus dem Markt zu kegeln. Daraus entsteht dann eine Situation, die niemand braucht. Schon gar nicht der Markt. Der bräuchte im Gegenteil mehr Wettbewerb.

Eine 'neue Region' wie die Lüneburger Heide bei Celle soll jetzt vor allem deshalb erobert werden, weil das Emsland, wo die blutige und stinkende Veranstaltung bisher überwiegend stattfand, schon derart verpestet ist, dass selbst die CDU-Granden dort keine weitere Verdichtung in der Hähnchenzucht mehr zulassen mögen. Von weiteren Folgen zu schweigen: Denn die viele Hähnchengülle erfordert inzwischen fast schon zwingend auch eine Biogasanlage, die Biogasanlage wiederum hektarweise Maisanbau, so dass sich nur die Wildschweine in einer solchen Landschaft noch wohlfühlen. Wie es sich in der Nachbarschaft eines Hühnermaststalls lebt, kann man hier erfahren. Auch wie eine dienstfertige Politik-Lobby die Gesetze passend macht.

In Sprötze in der Nordheide brannte jetzt der erste dieser neuen Mastställe kurz vor der Fertigstellung ab. Der Widerstand, so scheint es, wird zunehmend militant, und er hat bei der Beurteilung des Sinns solch industrieller Massentierhaltung einen wachsenden Teil der alteingesessenen Bevölkerung auf seiner Seite, die allerdings Militanz noch konsequent ablehnt. Gorleben lässt trotzdem grüßen. Kein Bauer, der noch seine fünf Sinne beisammen hat, will schließlich bei einem Spiel mitmachen, wo er als ammoniakduftender 'Dorfstinker' dann die gute Nachbarschaft vergessen könnte. Selbst die Banken geben, nach dem, was man hört, kaum Kredite für das fragwürdige Projekt "Hühnerland am Allerstrand" - denn natürlich müsste sich jedes Bäuerchen als Sub-Unternehmer seinen Maststall ganz und gar auf eigene Kosten bauen. Auch Tourismusprojekte wie das 'Aller-Leine-Tal' könnte sich die Landesregierung im Tausch für 250 Billig-Arbeitsplätze gegen Tausende von Touristen - wie einst Hans-im-Glück - in die Haare schmieren.

Nun ist aber die niedersächsische CDU-Landwirtschaftministerin über ihre Familie eng mit der Geflügelzucht verbandelt - und die FDP bekanntlich auch für jeden Scheiß zu haben, wenn er sich nur 'Wirtschaftsinteresse' nennt: ""Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen (CDU) steht nach einem Bericht über geschäftliche Verbindungen ihrer Familie zu angeblich tierquälerischen Putenmastbetrieben in der Kritik." Tscha - und so geht's aufhaltsam voran. Nur sollten wir nicht von 'Fortschritt', 'Entwicklung' und 'Wachstum' reden, wenn irgendwo ein Hühnerbaron sich selbst verwirklichen will: "Die Oldenburgerin, deren Familie Mastputen hält, hofft, dass Landwirte auch nach dem Brandanschlag auf eine Mastanlage im Kreis Harburg weiter in Geflügelställe investieren." Warten wir's mal ab ... wie sagte es doch Wilfried Fleming, der Geschäftsführer der Rothkötter-Gruppe, mit seiner geschliffenen Rhetorik im oben verlinkten TV-Beitrag so schön: "Das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass wir alle mal tot müssen" ...

You don't need a weatherman to tell which way the wind blows ...

Nachtrag: Gerade lese ich, dass der 'Nachschub' für den Betreiber jetzt schon aus 400 neuen Mastställen für je 40.000 Hähne kommen soll. Für die neuen, ständig wachsenden Kapazitätszahlen gibt es aber gar keine gültige Genehmigung. Mal sehen, wie sich die Schlaumeier da wieder rauswinden ...

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Es muß schon arg stinken, wenn diese Art Bauern zumindest gedanklich mit auf die Barrikaden gehen. Mir stellt sich ohnehin seit ewigen Zeiten die Frage: Was sind das für Menschen, die ihre Schlächter wählen?!
 
Och - das sind die, die bei den Wahlen schwatz oder geld ankreuzen.
 
Man kriegt den puren Ekel, immer wieder. Die Fleischindustrie gehört einfach zu den restlos verkommenen Wirtschaftszweigen.
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